Folia Theologica 12. (2001)

Zoltán Rokay: Die Selbstverwirklichung des Menschen in der Philosophie von J. G. Fichte

DIE SELBSTVERWIRKLICHUNG DES MENSCHEN 39 stellt sich die Frage nach der Möglichkeit der intellektuellen An­schauung. (Wobei das Ich Subjekt und Objekt zugleich ist.) Kant behauptet bekannterweise: „Das Bewußtsein meiner selbst in der Vorstellung Ich, ist gar keine Anschauung, sonder eine bloß intel­lektuelle Vorstellung der Selbsttätigkeit eines denkenden Sub­jekts."6 Fichte ist der Meinung, Kant leugnet nur die sinnliche intel­lektuelle Anschauung.7 Nicht der Ausdruck „Tathandlung", sonder was Fichte über den Primat der praktischen Vernunft sagt, hat ihm den Ruhm eines Vorkämpfers der praktischen Philosophie gebracht. In der erwähn­ten Aenesidemus-Rezension lesen wir: „Man sieht, daß Aenesidemus gerade das eigentliche Fundament der Kantischen Moraltheologie, den Primat der praktisschen Ver­nunft über die theoretische angreift; man sieht aber auch leicht, wodurch er sich diesen Angriff leicht gemacht hat. Was wir thun oder lassen, in der Welt der Erscheinungen für die Empfindungen gültig zur Wirklichkeit bringen sollen; muß allerdings unter den Gesetzen dieser Welt stehen. Aber wer redet denn auch von Thun oder Lassen? Das Sittengesetz richtet sich zunächst nicht an eine physische Kraft, als wirksame, etwas außer sich hervorbringende Ursache; sondern an ein hyperphysiches Begehrungs- oder Bestre­bungsvermögen, oder wie man es nennen will. Jenes Gesetz soll zu­nächst gar nicht Handlung, sondern nur das stete Streben nach ei­ner Handlung hervorbringen, wenn auch dasselbe, durch die Na­turkraft gehindert, nie zur Wirksamkeit (in der Sinnenwelt) käme."8 Die Unterscheidung zwischen dem Theoretischen und dem Praktischen ist für die GR vom 1794 entscheidend. Der Grundsatz des Theoretischen der Wissenschaftslehre lautet: „Das Ich setzt sich als bestimmt durch das Nicht-Ich."9 Diese Be­6 KANT, Kr.d.r.Vnft. (Ausgabe Meiner, B. 278,26-29). 7 GA IV,2. S. 30,24-31: „Es ist demnach eine Anschauung des in sich handeln­den Ichs möglich. Eine solche Anschauung ist eine intellektuelle. Dies wider­spricht dem Kantischen Systeme nicht. Kant leugnet nur eine sinnliche intel­lektuelle Anschauung...” 8 GA 1,2. S.64,10-65,1. Etwas Näheres erfahren wir von diesem Standpunkt in der WNM. GA IV,2. S.60,33-61,1: „Trieb ist ein sich selbst produzierendes Streben - eine fortdauernde Tendenz nach Tätigkeit - kein Handeln - nur et­was die ideale Tätigkeit bestimmendes...” 9 GR (Meiner), S.66.

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