Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

86 I. KONCSIK dem Ergebnis der Untersuchung einer spezifischen Hinsicht analog auf eine an­dere Hinsicht des Seienden zurückschließen. Voraussetzung dafür ist das Wissen um das Maß der analogen Differenz und Identität zwischen zwei differenten Seinsmodi, ge-mäß denen die analoge Trans­formation der Ergebnisse vollzogen werden kann. Dieses Maß läßt sich jedoch nicht exakt definieren, sondern wird per Intuition in die Wirklichkeit des Seien­den erfaßt und als Zielgrund jeder weiteren Bestimmung gebraucht. Hier zeigt sich erneut der entscheidende Verifikationsmaßstab der Wirklichkeit und damit die Notwendigkeit der Ontologie. Eine physikalische Theorie beschreibt das Verhalten des Seienden hinsichtlich einer zweifachen Reduktion: erstens wird nur das am Seienden thematisiert, was raumzeitlicher und empirischer Messung zugänglich ist; zweitens wird innerhalb dieses Rahmens das Seiende idealisiert, also ideell modelliert und unter idealen Bedingungen erforscht - wofür der Grund die nur analoge Einheit des Seins des Denkens, dem das begriffliche Modell entspringt, und dem raumzeitlichen Sein des erscheinenden Seienden ist: die vom Denken produzierten Modelle bleiben immer hinter der konkreten Wirklichkeit zurück, weil die Wirklichkeit hinsicht­lich ihres An-sich-Seins nicht aus Begriffen deduziert werden kann - sonst wäre mit dem einfachen Aufstellen eines Modells bereits die Wirklichkeit des Begrif­fenen generiert, was jedoch allein dem allmächtigen und durch sein Wort schaf­fenden Schöpfer zukommt. Es ergibt sich bezüglich der analogen Einheit und dem mit ihr aufgestellten Postulat interdisziplinärer Forschung: jede Forschung und jede Wissenschaft ist das Ergebnis menschlichen Denkens. Jedes Denken ist in die analoge Einheit mit Gott und in die analoge Einheit mit den zu untersuchenden Seienden hineinge­stellt, von der her es in der Universalität des analogen Seins beheimatet ist - also in einer analogen Einheit mit dem siewerthschen Sein aller Seienden steht, ln ei­nem idealisierten Modell zwecks Begreiflichmachung einer spezifischen Gege­benheit wird das Sein hinsichtlich seiner Idealität analogisiert123: jedes Denken, besonders das wissenschaftlich angetriebene Denken bedeutet ein stetes Analogi- sieren des Seins des erkannten Seienden. Wenn etwa die einfache Formel f=m * a genommen wird, so wird eine intuiti­ve Einsicht in die Bedeutung, korrekter: in das Sein von Masse, Kraft und Be­schleunigung verlangt, die das Ergebnis eines intuitiven Seinsbegreifens ist: an­hand des Seins des konkreten Seienden werden seine Eigenschaften - Kraft, Ma­sse, Beschleunigung - analog abgelesen und erschlossen, d.h. im eigenen Sein analog verinnerlicht. Ebenfalls wird in der Gleichung eine mögliche Äquivalenz behauptet, die hinsichtlich einer vorgenommenen Reduktion gültig ist. „In Wirk­lichkeit” ist die Kraft nicht einfach gleich der Masse oder Beschleunigung. Eben­123 Zum Verhältnis von Idealität und Realität siehe Beck, Aktcharakter.

Next

/
Oldalképek
Tartalom