Folia Theologica 7. (1996)
Stanislav Zvolenský: Der "dolus" nach dem kanonischen Eherecht
DER „DOLUS” NACH DEM KANONISCHEN EHERECHT 93 wegen bestimmter Mängel auf Antrag hin durch konstitutiven Akt des Richters aufgehoben, vernichtet wird. So scheint im Kodex hinreichend Vorsorge getroffen gegen unerwünschte Auswirkungen des Irrtums und der arglistigen Täuschung. Die dargelegte Regelung gilt aber für die Ehe nicht und kann für sie zum Teil gar nicht gelten. Wenn an sich der Kodex bei arglistiger Täuschung eine nachträgliche Aufhebung des Rechtsgeschäfts vorsieht, so ist das ein Ausweg, der grundsätzlich nach der katholischen Eheauffassung für die Ehe ungangbar ist. Denn eine Aufhebung in dem geschilderten Sinne setzt ja voraus, daß der Rechtsakt zunächst gültig und rechtswirksam zustande gekommen ist und erst hernach durch positiven Eingriff wieder rückgängig gemacht wird. Das aber ist bei der Ehe unmöglich wegen ihrer prinzipiellen Unauflöslichkeit, wie die Kirche sie besonders nachdrücklich auf dem Trienter Konzil definiert hat39. Die einmal gültig geschlossene und vollzogene Ehe unter Christen ist absolut unauflöslich, bis der Tod selbst sie scheidet40. Eine solche Ehe ist jedem Zugriff menschlicher Instanzen und selbst dem der höchsten Gewalt in der Kirche ein für allemal entzogen. Was die Kirche tun könnte, ist nur das eine: prüfen, ob die Ehe gültig zustande gekommen ist, und gegebenenfalls deklarativ feststellen, daß der Eheabschluß nicht gültig erfolgte und somit eine gültige Ehe überhapt nicht existiert. Es dürfte interessant 39 DENZINGER H., Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg im Br. 1991, Nr. 1797-1798: „Matrimonii perpetuum indissolubilemque nexum primus humani generis parens divini Spiritus instinctu pronuntiavit, cum dixit: „Hoc nunc os ex ossibus meis, et caro de carne mea. Qua- mobrem relinquet homo patrem suum et matrem, et adhaerebit uxori suae, er erunt duo in carne una” (Gn 2,23s; cf. Mt 19,5; Eph 5,31). Hoc autem vinculo duos tantummodo copulari et coniungi, Christus Dominus apertius docuit, cum postrema illa verba, tamquam a deo prolata, referens dixit: „Itaque iam non sunt duo, sed una caro” (Mt 19,6), statimque eiusdem nexus firmitatem, ab Adamo tanto ante pronuntiatam, his verbis confirmavit: „Quod ergo Deus coniunxit, homo non separet” (Mt 19,6; Mc 10,9).” Nr. 1807: „Si quis dixerit, Ecclesiam errare, cum docuit et docet, iuxta evangeli- cam et apostolicam doctrinam (cf. Mt 5,32; 19,9; Mc 10,11s; Lc 16,18; 1 Cor 7,11), propter adulterium alterius coniugum matrimonii vinculum non posse dissolvi, et utrumque, vel etiam innocentem, qui causam adulterio non dedit, non posse, altero coniuge vivente, aliud matrimonium contrahere, moecharique eum, qui dimissa adultera aliam duxerit, et eam, quae dimisso adultera alii napserit: anathema sit.” 40 Kanon 1118 des CIC 1917 lautete: „Matrimonium validum ratum et consummatum nulla humana potestate nullaque causa, praeterquam morte, dissolvi potest.”