Folia Theologica 7. (1996)
Anton Strukelj: Von der Sitzenden zur knienden Theologia
VON DER SITZENDEN ZUR KNIENDEN THEOLOGIE 23 durch ihre Lehre die Einheit beider Dienste in der Kirche noch ausdrücklicher betonen, wie etwa die beiden Alexandriner, Hieronymus, Maximus und der Damaszener. “Durch Dionysius ist de-jure-Identität von Bischof, Heiligen und Kirchenlehrer aufs folgreichste eingehämmert und mit ihm als evangelische Tradition rezipiert worden”10. Die Scheidung von Theologie und Heiligkeit Diese Einheit von Einsicht und Leben war im beginnenden westlichen Mittelalter noch eine selbstverständliche Regel. Die Scheidung kam mit der Scholastik und mehr noch durch die Rezeption des hereinbrechenden Aristotelismus. Gewiss gewann man damals an Klarheit, Sichtung, Beherrschung des gesamten Wissensmaterials, aber man war wie betrunken von den unverhofft grossen Beuteschätzen des Aristotelismus. Die Beute war zunächst eine philosophische und nur indirekt eine theologische. “Die hohe Scholastik Alberts, Bonaventuras, Thomas’ von Aquin bedeutet den einzigartigen Kairos, in welchem die Theologie eben noch die sich verselbständigende Weltwissenschaft sakral zu verklären und zu durchstrahlen vermag und damit den Profanwissenschaften ein Ethos mit auf den Weg gibt, das aus dem Bereich der christlichen Heiligkeit stammt und auch den profanen Forscher beansprucht”11. Dann nistete sich die Spaltung zwischen den beiden Bereichen immer tiefer ein. Nach Thomas erfolgt der Abfall in den Nominalismus, der “wohl erstmals ein unversöhnliches Gegenüber von (scholastischer) Theologie und Spiritualität entstehen lässt (Devotio moderna, Erasmus), aus dem die Reformation einen Ausweg suchen wird”12. Wohl unternehmen es noch die Grössten der Zeit, die beiden auseinanderrückenden Pfeiler durch einen kühnen Bogenschwung zu verbünden, der sie in Entsprechung und Harmonie zwingt. Franziskaner und Predigerbrüder suchen “den ganzen Bogen der Theologie zu bewältigen”13: Bonaventura, indem er in seine späten Synthesen selbst noch die antischolastische Spiritualität der joachimitischen Franziskaner einzubergen trachtet, Eckhart, Tauler und Seuse (und noch Johannes vom Kreuz), indem sie die bei Thomas geöff10 Ebd., 199. 11 Ebd., 200. 12 Einfaltungen. Auf Wegen christlicher Einigung, Johannes Verlag Einsiedeln 41988, 31. 13 Einfaltungen, 31.