Folia Theologica 6. (1995)
Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht
DIE FÄHIGKEIT ZUM EHEKONSENS 7 angeführten Konsensmängel sind zweifellos kodifiziertes Naturrecht6. Es ist jedenfalls festzuhalten, daß bei der Festlegung von Inhalt und Beschaffenheit des Ehekonsenses ein Zusammenwirken zwischen naturrechtlichen und positivrechtlichen Elementen vorliegt. Den Ehewerbern wird, was ihren Konsens betrifft, sozusagen ein „verschnürtes Paket” mit naturrechtlichen und positivrechtlichen Inhalten und Voraussetzungen vorgelegt, ohne deren Vorhandensein von einem gültigen oder jedenfalls wirksamen Konsens nicht gesprochen werden kann. 2) Die zur Ehe rechtlich befähigte Person Wenn c. 1057 § 1 von der „persona iure habilis” spricht, so umfaßt die hier angesprochene Fähigkeit verschiedene Komponenten, nämlich die grundsätzliche Fähigkeit zur Abgabe eines gültigen Konsenses und darüberhinaus auch die Fähigkeit, einen nicht bloß gültigen, sondern auch rechtlich wirksamen Konsens abgeben zu können. Im erstgenannten Fall ist der Konsens entweder überhaupt nicht vorhanden (z.B. bei amentia) bzw. mit wesentlichen Mängeln behaftet; im zweiten Fall ist er zwar vorhanden, ist gültig, wird aber aufgrund bestimmter, im Recht aufgestellter Voraussetzungen (trennende Ehehindernisse, Formmangel) nicht wirksam. Ungültige Ehe ist daher nicht einfachhin mit ungültigem Konsens gleichzusetzen, wobei die Frage, ob sich der (die) Kontrahenten) dieser Ungültigkeit bewußt ist (sind), keine Rolle spielt. Gültiger Konsens ist gemäß c. 1100 mit dem Wissen oder der Meinung, die Ehe sei ungültig, vereinbar. Der gültige Konsens entfaltet (bei Vorliegen eines trennenden Ehehindernisses oder bei Formmangel) nicht die ihm sonst eigentümliche Wirkung, nämlich die gültige Ehe. Diese kann aber sofort entstehen, wenn das Hindernis weggefallen ist und die Heilung in 6 In bezug auf die gegenwärtige Rechtsauffassung hinsichtlich des naturrechtlichen Charakters und der damit in Zusammenhang stehenden Frage nach der Anwendbarkeit der Bestimmung über die arglistige Täuschung (c. 1098) auf vor dem Inkrafttreten des CIC/1983 geschlossene Ehen vgl. die (ausweichende) Antwort der PCI vom 12. 12. 1986 an den Erzbischof von Freiburg/Br. (Prot. Nr. 1188/86, in: AkKR 155 (1986), 482). — Trotzdem wird in einer Reihe von Urteilen deutscher Diözesangerichte von einer rückwirkenden Kraft des c. 1098 ausgegangen und damit einschlußweise der naturrechtliche Charakter dieses Ehenichtigkeitsgrundes angenommen. Vgl. dazu C. HUBER, Der Ehenichtigkeitsgrund „Arglistige Täuschung" in der Rechtsprechung der deutschsprachigen Offizialate von 1983-1989, in: AkKR 159 (1990), 406-408.