Folia Theologica 6. (1995)
Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht
26 B. PRIMETSHOFER 4) Relatives Erfüllungsunvermögen? Kontrovers wie die im vorausgehenden behandelte ist auch die Frage, ob das Erfüllungsunvermögen nur dann als relevant zu bezeichnen ist, wenn es gegenüber allen (potentiell möglichen) Partnern gegeben ist, oder aber auch, wenn es nur in bezug auf einen bestimmten Partner zutage tritt68. Weder Lehre noch Rechtsprechung sind hier einer Meinung, wobei in bezug auf erstere allerdings zu sagen ist, daß sich ein Teil der Autoren diese Frage überhaupt nicht stellt69. In neueren Entscheidungen der SRR werden bis zur Stunde beide Auffassungen vertreten70. Eine personale Sichtweise der Ehe, die ja ein „totius vitae consortium” nicht mit einem beliebigen, sondern mit einem individuell be68 Die SRR hat eine Beschreibung der „incapacitas relativa" in einer Entscheidung vom 14. 4. 1975 (coram Raad) gegeben: „Incapacitas radicalis coniu- gum psychice sanorum, datis eorum personalitatis dispositionibus cogentibus et inemendabilibus, adimplendi onera essentialia matrimonii, ob incompatibilitatem essentialem unius erga alterum, etsi cum alia comparte unusquisque eadem onera adimplere valet". Vgl. PINTO GOMEZ, Incapacitas (Anm. 44), 26. 69 So wird z.B. in den Gesamtdarstellungen des Eherechts von HEIMERL - PREE, Kirchenrecht (Anm. 7), SEBOTT, Eherecht (Anm. 12) PRADER, II matrimonio (Anm. 7) und MOLINA MELIÁ - OLMOS ORTEGA, Derecho matrimonial (Anm.60) die Frage überhaupt nicht angeschnitten. 70 Vgl. PINTO GOMEZ, Incapacitas (Anm. 44), 26 f. — PREE, Neuestes (Anm. 12), 78 f. Mit besonderem Nachdruck bringt die SRR in einer Entscheidung vom 13.12.1991 coram Serrano die Rechtserheblichkeit des relativen Erfüllungsunvermögens zum Ausdruck: Relatives Erfüllungsunvermögen sei in Parallele zu relativer (physischer) Impotenz zu setzen, deren rechtliche Relevanz außer Streit stehe. Objekt dieser relativen Unfähigkeit sei nicht die Unfähigkeit zur Konsensleistung schlechthin, sondern die Unfähigkeit, sich auf ein „consortium", dh. auf die für die Ehe typische Beziehung zu einer bestimmten Person zu verpflichten. Unter diesem Gesichtspunkt kann eine Ehe zwischen zwei Personen nichtig sein, ohne daß deshalb die Fähigkeit zur Eheschließung mit einem anderen Partner ausgeschlossen wird. „Iura-officia essentialia matrimonii, abs dubio, suam objec- tivam vim et existentiam habent. Sed capacitas vel incapacitas ea adimplendi et assumendi est subjectiva vel incapacitas ea adimplendi et assumendi est subjectiva, quae relativa esse potest. Ab hac capacitate pendet actuum humanorum conformitas cum ordine morali-iuridico obiectivo". DirEccl. CIII/1992, II, 185-202, bes. 192.