Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

18 B. PRIMETSHOFER III. Erfüllungsunvermögen (Eheführungsunfähigkeit) 1) Der Tatbestand des c. 1095, 3 Mit der auf Gründen psychischer Natur39 beruhenden Unfähigkeit, wesentliche Verpflichtungen der Ehe zu übernehmen40, wird nunmehr ein drittes „caput nullitatis” im Bereich der im Leitsatz von c. 1095 an­gesprochenen Unfähigkeit festgelegt. Als deutlich von den beiden vor­ausgehenden Absätzen (1 und 2) abgehobener Tatbestand werden hier Defekte ins Auge gefaßt, die nicht die Erkenntnis- und Willenssphäre be­treffen (was nicht ausschließt, daß diesbezügliche Zusammenhänge be­stehen können), sondern die auf die Erfüllung richtig erkannter und — soweit es auf das abstrakte Wollen allein ankommt — auch tatsächlich gewollter, mit dem Wesen der Ehe verbundener Verpflichtungen ab­stellt41. Vom Vertragsobjekt der Ehe, nämlich dem wechselseitigen Schenken und Annehmen (vgl. c. 1057 § 2) ausgehend, liegt hier die Un­möglichkeit vor, dasjenige zu erfüllen, zu leisten, was (zumindest in bezug auf die wesentlichen Aspekte) richtig erkannt und fehlerfrei gewollt wurde. Mit Recht wird unter Hinweis auf die Reglur 6, wonach niemand zu Unmöglichem verpflichtet werden könne42, betont, daß die Rechtsfolge einer bindenden Vertragsverpflichtung deshalb nicht Zustandekommen könne, weil die tatsächliche Erfüllung der Verpflich­39 Die Übersetzung des lateinischen „ob causas naturae psychicae" bereitet Schwierigkeiten. So kritisiert Lüdicke die von der Übersetzergruppe der Deutschen Bischofskonferenz gewählte Wiedergabe „aus Gründen der psychischen Beschaffenheit" und schlägt selber die Übersetzung „wegen Gründen psychischer Natur" vor. K. LÜDICKE, in: Münsterischer Kommen­tar zum Codex Iuris Canonici, Rdz 1 zu c. 1095. — Während diese beiden Übersetzungsvarianten für die deutsche Sprache keine ins Gewicht fallen­den Bedeutungsunterschiede aufweisen, ist dies für das Englische schwie­riger. Hier stellt sich nämlich die mit erheblichen Interpretationsproblemen verbundene Frage, ob „psychicae" mit „psychic" oder „psychological" wiederzugeben ist. Vgl. dazu L. ÖRSY, Matrimonial Consent in the New Code, in: Jur 43 (1983), 43. — Der von der Canon Law Society of America herausgegebene Kommentar von J. A. CORIDEN - Th. J. GREEN - D.E. HEINTSCHEL, „The Code of Canon Law", New York 1985, übersetzt mit „psychic". 40 In der CIC-Kommission stand anstelle von „assumere" das Wort „adimp­lere" zur Diskussion. Vgl. Communicationes 3 (1971), 75-77. 41 Vgl. B. PRIMETSHOFER, Der Ehekonsens, in: HdbKathKR, 778. 42 „Nemo potest ad impossibile obligari".

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