Folia Theologica 6. (1995)

Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu

126 GY. TAKÁCS Die Anschauung, die in der Eschatologie das Hauptthema der Lehre Jesu sieht, stammt von Johannes Weiss und wird von Albert Schweitzer und A. Loisy weitergeführt. Nach ihnen ist die Lehre Jesu keine moralisieren­de Ethik, wie die liberale Schule meinte, sondern eine grosse Hoffnung. Das Verhalten Jesu wird von jener ’illusorischen Erwartung bestimmt, daß das Reich Gottes bevorstehend ist. Die eschatologische Konzeption dieser Autoren wird “konsequente Eschatologie” genannt55. Der “konsequenten Eschatologie” von Johannes Weiss und Albert Schweitzer gegenüber betont Charles Harold Dodd, daß die Eschatologie Jesu eine “realisierte Eschatologie” war. Die eschatologische Konzeption geht bei Joachim Jeremias weiter, aber er modifiziert sie zu einer “sich realisierenden Eschatologie”. John Dominic Crossan vergleicht auch dieses Fortschreiten mit einem Schema entsprechend der hegelianischen Thesis-Antithesis-Synthesis56. Die Lehre Jesu ist nach der Meinung von Joachim Jeremias nicht eine von einer illusorischen Naherwartung des Kommens des Reiches Gottes ausgelöste Phantasie. Aber sie ist auch nicht nur eine einfache Ankündi­gung der Erfüllung. Jesus kündigt die letzte Stunde an. Diese letzte Stun­de ist tatsächlich gekommen, aber sie erfordert noch eine wesentliche Entscheidung. Jesu Verkündigung ist die Verkündigung des Heils, aber zugleich auch ein Ruf zur Buße. “Jesu Botschaft ist nicht nur Heilsverkündigung, sondern auch Unheilsankündigung, Warnung und Bußruf angesichts des furchtbaren Ernstes der Stunde”57 58. Diese letzte Stunde kann zu einem “drohenden Zuspät” werden. So ist nach der Lehre Jesu noch nicht die endgültige Ruhe des Heils zum ge­genwärtigen Zeitpunkt errungen, vielmehr handelt es sich um den letz­ten, alles entscheidenden Augenblick. Diese Zeit ist “der letzte dies poe- mtentiae . 55 Vgl. A. ROBERT, A. FEUILLET, (Hrsg.), Introduction a la Bible, Bd. II., Tor­nai, 19593 S. 152. Vgl. auch C. H. DODD, The Parables of the Kingdom, Lon­don, 1965 S. 34. 56 J. D. CROSSEN, Parable as Religious and Poetic Experience, in: The Journal of Religion, 53 (1973), S. 330-331. 57 J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen, 19708 S. 160. 58 J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen, 19708 S. 171.

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