Folia Theologica 6. (1995)
Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu
122 GY. TAKÁCS Dieses Verfahren rief sofort scharfe Kritik hervor. Autoren wie P. Fie- big40, J. Heinemann41, W. O. Oesterley42, M. Hermaniuk43 strebten danach, die Gleichnisse Jesu als in die semitische Umwelt eingebettet zu betrachten, wobei sie darauf hinwiesen, man müsse sich bewußt sein, daß der semitische Wahrheitsbegriff von jenem der klassischen Antike sehr verschieden ist44. Die Forschung nach Jülicher legte klar, daß man im Fall der Gleichnisse Jesu mit einer Mischform rechnen muß, in der auch die Allegorie neben anderen Formen ihren Platz hat. Deshalb ist das Schema der Kategorien, die Adolf Jülicher und die seine Anregung fortsetzende Formgeschichte aufstellten, gekünstelt. “Schliesslich machte die Formgeschichte den Versuch, durch Einteilung der Gleichnisse in Kategorien weiterzukommen. Man schied zwischen Bildwort, Vergleich, Gleichnis, Parabel, Allegorie, Beispielerzählung usw., letztlich doch ein unfruchtbares Bemühen — denn der Maschal umfaßt alle diese Kategorien und noch viel mehr, ohne jede Scheidung. ...Es heisst den Gleichnissen Jesu ein sachfrem- des Gesetz aufzwingen, wenn man sie in die Kategorien griechischer Rhetorik presst”45. Nach dem absoluten Ausschließen der Allegorie aus den Gleichnissen Jesu, die Adolf Jülicher in seiner Exegese vollzogen hatte, wurde die Allegorie im Hinblick auf die Gleichnisse Jesu in gewissem Maße rehabilitiert, obgleich es sich keineswegs um eine Rückkehr zur phantastischen Allegorisierung handelt46. 40 P. FIEBIG, Altjüdische Gleichnisse und die Gleichnisse ]esu, Tübingen, 1904; DERS., Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neu- testamentlichen Zeitalter, Tübingen, 1912; DERS., Rabbinische Gleichnisse, Leipzig, 1929. 41 J. HEINEMANN, Altjüdische Allegoristik, Breslau, 1936. 42 W. O. OESTERLEY, The Gospel Parables in the Light of their Jewish Background, London 1936. 43 M. HERMANIUK, La Parabole évangélique, Bruges-Paris-Louvain, 1947 44 Zur semitischen Gesinnung siehe: C. TRESMONTANT, Essai sur le pensée hébraique, Paris, 1953 bes. S. 87-152. 45 J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 19708 S. 16. 46 Zur Rehabilitation der Allegorie siehe bes.: M. BLACK, The Parables as Allegory, in: Bulletin of the John Rylands Library, 42 (1959-60), S. 273-287; R. E. BROWN, Parable and Allegory Reconsidered, in: Noimm Testamentum, 5 (1962), S. 36-45; dasselbe auch in: R. E. BROWN, New Testament Essays, New York, 1965 S. 321-333.