Folia Theologica 6. (1995)

Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu

DIE EXISTENTIALE INTERPRETATION 123 John Dominic Crossan bezeichnet den Wechsel der Anschauungen über die Rolle der Allegorie in den Gleichnissen Jesu in der Gleichnisexegese vor Jülicher, durch ihn und nach ihm, als ein Schema der hegelianischen Thesis-Antithesis-Synthesis47. Mit dem Programm der “Ent-Allegorisierung” und mit der Anwendung der Regeln des griechischen rhetorischen Beispieles auf die Gleichnisse hängen noch zwei grundlegende Thesen bei Adolf Jülicher zusammen, nämlich jene des einen Vergleichspunktes und jene der allgemeinen mo­ralisch-religiösen Wahrheit. Wenn das Gleichnis ein klassisches rhetorisches Beispiel ist, hat es nur einen Vergleichpunkt im Gegensatz zur Allegorie, die viele Vergleichs­punkte haben kann. Man spricht von einer Bildhälfte und von einer Sach- hälfte der Gleichnisse48. Zwischen den beiden gibt es ein tertium compa­rationis. Dieses ist der eine Vergleichspunkt bei Adolf Jülicher. Weil sich diese Ein-Vergleichspunkt-Theorie auf die absolute Trennung der Allegorie von den Gleichnissen und auf das Identifizieren des Gle­ichnisses mit dem griechischen rhetorischen Beispiel gründete, wurde auch diese These mit der Rehabilitation der Allegorie revidiert und mo­difiziert49. Als die Sachhälfte, zu der das tertium comparationis — ausgehend vom konkreten Bild des Gleichnisses — führt, wird von Adolf Jülicher irgend­eine möglichst allgemeine moralisch-religiöse Wahrheit bezeichnet. Mit dieser These tat er dem Wesen der Gleichnisse Jesu zum zweitenmal Ge­walt an. Erstens riß er die Gleichnisse Jesu aus ihrer semitischen Umwelt heraus und zwängte sie in ein griechisches rhetorisches Schema, dann trennte er sie auch noch von Jesus ab und legte sie in den Mund, in die Gesinnung eines Protestanten, der der Kulturepoche des 19. Jahrhunderts angehört. Hans-Josef Klauck verweist auf den engen Zusammenhang, der zwischen der Ästhetik Hegels und dem Gleichniswerk Adolf Jülichers besteht, “wo die Suche nach dem einen tertium comparationis als Anknüpfungspunkt 47 J. D. CROSSAN, Parable as Religious and Poetic Experience, in: The Journal of Religion, 53 (1973), S. 333. 48 Vgl. E. FUCHS, Bemerkungen zur Gleichnisauslegung, in: DERS., Zur Frage nach dem historischen Jesus. Gesammelte Aufsätze II., Tübingen, 19652 S. 136. 49 Vgl. R. E. BROWN, Parable and Allegory Reconsidered, in: DERS., New Testa­ment Essays, New York, 1968 S. 324.

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