Folia Theologica 6. (1995)

Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu

DIE EXISTENTIALE INTERPRETATION 121 Über die von Jülicher begründete ’Methode’ der Gleichnisauslegung, ge­gen deren Erwähnung übrigens schon er selbst im Vorwort der zweiten Auflage seines Werkes protestierte37, und über die Gleichnis-exegese des zweiten Bandes seines Werkes hinaus, die eher das “Manifest des deut­schen theologischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts”38 als den echten Inhalt der Gleichnisse Jesu darstellt, besteht die wahre und bleibende Be­deutung seines Werkes in der methodologischen Fragestellung selbst. Er machte die Notwendigkeit einer sachgemässen, durch die Natur des Gle­ichnisses diktierten Methode zu ihrer rechten Auslegung bewußt und setzte dadurch eine intensive Methodenforschung in Gang, die wesent­lich und zuallererst die Souveränität des Gleichnisses über dem Ausleger versichern will und die die ganze moderne Periode der Gleichnisausle­gung am stärksten kennzeichnet. “Jülicher hält nichts von dem begrenzten Horizont einer ’re­in exegetischen’ Fragestellung, sondern stellt sich der Auf­gabe einer methodologisch durchdachten Theoriebildung für die Gleichnis-auslegung, die allein aus dem Wust der Auslegungen im Verlauf der christlichen Geschichte her­auszuführen vermag. So hat denn sein Werk heute seine Nachwirkungen auch weniger im exegetischen Detail, das viel zu sehr mit den moralinsauren Allgemeinplätzen einer kapitalistischen Ideologie durchsetzt war. Sein Werk trägt seine Früchte bis heute vor allem in bezug auf die methodologische Grundlagenforschung”39. Adolf Jülicher versucht die Gleichnisse dadurch zu ent-allegorisieren, daß er sie aus der semitischen Umwelt herauslöst und sie in die Katego­rien der griechischen Rhetorik fügt. Er betrachtet die Gleichnisse als Be­ispiel oder Vergleich in der aristotelischen Rhetorik. Dadurch ereicht er zwar, daß die Gleichnisse von der jahrtausendealten Last des Allegorie- Seins befreit wurden, zugleich aber hörten sie auf, Gleichnisse Jesu zu sein und wurden zu Beispielen eines hellenistischen Rhetors. 37 A. JÜLICHER, Die Gleichnisreden Jesu, Tübingen, 19102 Bd. I. S. III.; Bd. II. S. III. Über den Ursprung des Ausdrucks: "Methode von B. Weiss-Jülicher" siehe: W. BOUSSET, in: Theologische Literaturzeitung, 22(1987), S. 357. 38 N. PERRIN, The Modern Interpretation of the Parables of Jesus and the Problem of Hermeneutics, in: Interpretation, 25(1971), S. 132f. 39 E. GÜTTGEMANNS, Studia linguistica neotestamentica, München, 19732 S. 104-105.

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