Folia Theologica 6. (1995)

Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu

DIE EXISTENTIALE INTERPRETATION 115 Als grundlegende Vertreter der existentialen Interpretation der Bibel sind in erster Linie Karl Barth13, Rudolf Bultmann14 und die sogenannte “Ne­ue Hermeneutische Schule” zu erwähnen, deren Begründer Ernst Fuchs15 und Gerhard Ebeling16 sind, die auf Bultmann folgten. Die existentiale Interpretation der Bibel begnügt sich nicht mit dem Erk­lären des Textes durch dessen historischen ’Sitz’, sondern will ihn ’vers­tehen’. Die Autoren der existentialen Interpretation forschen nach den Bedingungen des Verstehens. Der historische Sitz ist nicht der einzige Sitz des Textes. Der ursprüngli­che Autor des Textes ist nicht sein einziger ’Pater’. Ebenso ist auch der historische, ursprüngliche Sinn nicht der einzige und endgültige Sinn des Textes. Der Text hat auch einen anderen Kontext außerhalb der Entste- hüngssituation, nämlich jenen der menschlichen Existenz, die entweder von der Geschichtlichkeit oder von der Sprachlichkeit gekennzeichnet ist. Der Text verliert die Paternität seines ursprünglichen Autors und be­kommt eine neue Paternität von seinen Lesern. Der Sinn des Textes eröffnet sich nur in einem geschichtlichen Prozess. “Die Ausschöpfung des wahren Sinnes aber, der in einem Text oder in einer künstlerischen Schöpfung gelegen ist, kommt nicht irgendwo zum Abschluss, sondern ist in Wahr­heit ein unendlicher Prozess”17. Der Sinn eines Textes ist nicht auf jenen Sinn zu beschränken, der der In­tention des Autors entspricht, da dem Leser auch eine aktive Rolle hin­sichtlich des Sinnes des Textes zukommt. Wenn der Leser dem Text im Zusammenhang der menschlichen Existenz begegnet, versteht er ihn an­ders, als es der Autor ursprünglich zum Ausdruck bringen wollte. 13 Hauptsächlich: K. BARTH. "Der Römerbrief', München, 1922. 14 Hauptsächlich: R. BULTMANN, Glauben und Verstehen, Tübingen, Bd. I. 1933; Bd. II. 1952; Bd. III. 1960; Bd. IV. 1965 15 Ernst FUCHS, Hermeneutik, Bad Cannstatt, 1954; DERS., Marburger Herme­neutik, Tübingen, 1968; DERS., Gesammelte Aufsätze, Tübingen, Bd. I. 1960; Bd. II. 1960; Bd. III. 1965; DERS., Jesus - Wort und Tat, Tübingen, 1971. 16 G. EBELING, Wort und Glaube, Tübingen, Bd. I. 1960; Bd. II. 1969; DERS., Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen, 1960; DERS., Theologie und Verkündigung, Tübingen, 19632; DERS., Wort Gottes und Tradition, Göttin­gen, 1964; DERS., Gott und Wort, Tübingen, 1966; DERS., Einführung in die theologische Sprachlehre, Tübingen, 1971. 17 Hans-Georg GADAMER, Wahrheit und Methode, Tübingen, 19723. S. 282.

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