Folia Theologica 6. (1995)
Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu
DIE EXISTENTIALE INTERPRETATION 113 Der Grundsatz der formgeschichtlichen Methode lautet: “Im Anfang war die Predigt”.6 Sie strebt danach, die neutestamentlichen Schriften, besonders die synoptischen Evangelien auf die urchristliche Predigt zurückzuführen und sie darauf zu reduzieren. Die redaktionsgeschichtliche Methode versucht, die methodologischen Mängel der formgeschichtlichen Methode zu korrigieren. Wenn die formgeschichtliche Methode behauptet: “Im Anfang war die Predigt”, würde die redaktionsgeschichtliche Methode hinzufügen: “Sie war aber nicht das Ende”. Die Evangelien bzw. die Evangelisten selbst haben auch etwas Neues zu sagen. So betonen sie, Markus oder Matthäus und die anderen Autoren haben alle ihre je eigene “Theologie”. Die redaktionsgeschichtliche Methode sucht den ’Sitz’ der Texte im Evangelium selbst, d.h., ihr bevorzugter Interpretationsrahmen ist der “Sitz im Evangelium”7 selbst: Der ’Sitz’ für das Matthäusevangelium ist das Matthäusevangelium selbst8. Der ’Sitz’ für das Lukasevangelium ist dieses selber9. Dasselbe gilt für das Markusevangelium10, sowie für die Logienquelle11. Die redaktionsgeschichtliche Methode legt die Betonung auf die individuellen Eigentümlichkeiten der einzelnen Schriften, und bleibt nicht wie die formgeschichtliche Methode, in der ’Vorgeschichte’ stecken, weil die Evangelisten nach der Meinung der Redaktionsgeschichtler echte Autoren waren. Die einzelnen Evangelien enthalten etwas Neues, was in der 6 Vgl. E. HAENCHEN, Der Weg Jesu, Berlin, 19682. S. 2. 7 Für die Termini: "Sitz im Leben der Kirche", "Sitz im Leben Jesu", "Sitz im Evangelium" - siehe: John S. KSELMAN, Modern New Testament Criticism, in: R. E. BROWN, J. A. FITZMYER, R. E. MURPHY (Hrsg.), The Jerome Biblical Commentary, London, 1970. Band IL S. 14. (41:42). 8 Die erste Anregung: G. BORNKAMM, Die Sturmstillung im Matthäusevangelium, in: Wort und Dienst (Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel), Neue Folge 1 (1948), S. 49-54. Ferner siehe: DERS. Matthäus als Interpret der Herrenworte, in: Theologische Literaturzeitung, 79/1954), S. 342-346; G. BORNKAMM, G. BARTH, H. J. HELD (Hrsg.), Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, Neukirchen-Vluyn, 19654. W. TRILLING, Das wahre Israel. Studium zur Theologie des Matthäusevangelium, München, 19643. 9 H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, Tübingen, 1954. E. LOHSE, Lukas als Theologe der Heilsgeschichte, Bruxelles, 1970. 10 W. MARXEN, Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums, Göttingen, 1956. 11 D. LUHRMANN, Die Redaktion der Logienquelle, Neukirchen-Vluyn, 1971. S. SCHULZ, Q - Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich, 1972.