Folia Theologica 4. (1993)

Winfried Aymans: Gemeinrechte und Gemeinpflichten aller Gläubigen

18 W. AYMANS christifidelium officiis et iuribus" zugleich auf die Gemcinpflichten ab­stellt, denn die Pflichten sind meistens nur die Kehrseite derselben Sache. Die Pflichtseite vieler Rechte muß sogar dann mitbedacht werden, wenn sie nicht ausdrücklich genannt wird. So ist das Recht auf Teilhabe an den geistlichen Gütern der Kirche, besonders an dem Wort Gottes und dem sakramentalen Leben der Kirche (c. 213), das vielleicht vornehmste Ge­meinrecht des Christen; zugleich besteht aber für den Gläubigen eine ebenso fundamentale Pflicht, an dem Leben der Kirche in Wort und Sakrament teilzunehmen, obgleich der betreffende Kanon davon nicht ausdrücklich spricht. Die Kirche ist nicht ein Markt der Angebote, in dem der Christ ein Recht auf freie Selbstbedienung oder auf Bedient-Werden hat. Wenn die Menschenrechte dem Menschen gleichsam einen staatsfreien Raum zur Entfaltung seiner Persönlichkeit sichern wollen, so kann man nichts Analoges über die allen Gläubigen gemeinsamen Rechte sagen. Bei letzteren geht es nicht um die Schaffung eines kirchenfreien Raumes für das religiöse Subjekt. Der Christ kann nicht als isoliertes Individuum gegenüber der religiösen Gemeinschaft verstanden werden. Den Mens­chen kann man definieren ohne Bezugnahme auf Staat oder Kirche; der Christ hingegen ist begrifflich nur zu definieren als Glied der Kirche,39 Er ist »persona in Ecclesia Christi«! Aus dieser Grundvoraussetzung ergeben sich gewichtige rechtliche Kon­sequenzen, auch hinsichtlich des ganzen sog. kirchlichen Grundrechtskon­zeptes. Wenn die Offenhaltung eines Freiraumes religiöser Privatautono­mie zwar wohl für den Menschen im Hinblick auf den Staat, nicht aber für den Christen im Hinblick auf die Kirche denkbar ist, so kann an die Schaffung eines den Menschenrechtskatalogen vergleichbaren kirchli­chen Grundrechtskataloges nicht gedacht werden. Die Sprechweise von den kirchlichen Grundrechten ist aber geeignet, insoweit ständig in die Irre zu führen. Angesichts der Erwägungen über die Menschenrechte und über die Probleme, in die aus Mangel an begrifflicher Unterscheidung die sog. kanonische Grundrechtsfrage leicht verwickelt wird, empfiehlt es sich, trotz der schon eingebürgerten Gewohnheit auf die Redeweise von kirch­lichen »Grundrechten und Grundpflichten« zu verzichten. 39 Vgl. P. HINDER, Grundrechte in der Kirche, Freiburg i.d.Schweiz 1977,195-198.

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