Folia Theologica 2. (1991)

Leo Scheffczyk: Das Petrusamt: Dienst an der Einheit in der Wahrheit

8 L. SCHEFFCZYK wird. Sie beweist nämlich auch die faktische Uneinheitlichkeit und den mangelnden Konsens des Episkopates gerade in vielen Entscheidungssi­tuationen. Ein plurales Einheitsorgan bedarf deshalb selbst eines tieferen Einheits­prinzips, um seine Einheitsfunktion erfüllen zu können. Dieses kann dann aber nicht nochmals mehrheitlich strukturiert sein und eine nur moralische Einheitsgröße darstellen. Es bedarf so letztlich eines physischen Einheits­prinzips, das nur in einer Person verwirklicht ist. So erweist sich das an einen Einzigen gebundene päpstliche Amt als das Prinzip, das sich der Episkopat selbst voraussetzt, um als kollektives Einheitsorgan fungieren zu können. Das Verständnis der Einheitsfunktion des Papsttums wird heute dadurch erschwert, daß der Vorrang der Einheit vor dem Pluralismus und der sogenannten Pluriformität in der Kirche nicht mehr anerkannt wird. So wird oft der Eindruck erweckt, als ob das eigentliche Lebensprinzip in der Kirche der Pluralismus sei, die Einheit dagegen etwas Abkünftiges und Beiläufiges. Dementsprechend wird jede Funktion der Einigung, zumal wenn sie universalen Charakter besitzt, leicht als Drosselung des Lebens und als Versuch zur Bescheidung von Kraft, Wachstum und Originalität empfunden. Hier tut nicht nur ein theologisches Umdenken not, das u. a. die (oben angedeuteten) Mahnungen der Heiligen Schrift zur Einheit wieder ernst nimmt, sondern auch eine nüchterne philosophische Besinnung. Sie müßte diejirkenntnis vermitteln, daß Einheit nicht etwas Zweitrangiges und Hinzu­kommendes ist, sondern die Kraft, die jedes Lebendige zugleich mit seiner Lebensbetätigung entwickelt, um sich selbst zu erhalten und nicht den Tendenzen zu erliegen, die aus der Vielheit kommen: die Zersplitterung, die Wucherung, die Selbstauflösung. Der Pluralismus oder die sogenannte Pluriformität sind nur solange sinn­voll und legitim, als sie ein & Ausfaltung und Darstellung der inneren Fülle der Einheit sind und also der Einheit dienen. Pluralität ist nur als Mannig­faltigkeit in der Einheit berechtigt. So ist die Einheit immer das Ursprüng­liche wie das Letztintendierte. Wer deshalb in der Einheit der Kirche ein wesentliches Gut anerkennt, das auch dem Pluralismus seine Norm und Grenzen setzt, der wird den Dienst an der Einheit, den das Amt des Papstes in wurzelhafter und universaler Weise in der Kirche zu leisten hat, nicht gering achten. Er wird darin eine der entscheidenden Wirkungen des

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