Folia Theologica 1. (1990)
Béla Fila: Die Geschichtlichkeit als theologisches Problem - in Auseinandersetzung mit M. Heidegger
34 B. FILA unter der Wirkung des neuzeitlichen geschichtlichen Denkens ausgebildet hat, bedeutet, dass die Offenbarung, ihre Quellen, die Kirche und ihre Lehre grundsätzlich und wesentlich dem Oesetz der Geschichte unterliegen. Diese entscheidende Erkenntnis der Geschichtlichkeit aller Glaubensaussagen ist neuerlich in der Erklärung der römischen Glaubenskongregation "Mysterium ecclesiae" mit diesen Worten anerkannt: "Hinsichtlich der geschichtlichen Bedingtheit ist vor allem zu beachten, dass der Sinn, den die Glaubensaussagen enthalten, zum Teil von der Aussagekraft der angewandten Sprache in einer bestimmten Zeitepoche und unter bestimmten Lebensverhältnissen abhängt. Daher ist mitunter schon der Fall eingetreten,... einige Formeln durch neue Ausdrucksweisen worden sind."5 Nicht die Geschichtlichkeit der Glaubenswahrheiten als solche, sondern deren reflexe Erkenntnis bzw. Wiederentdeckung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen scheinen die Situation der Gegenwart grundlegend gewandelt zu haben. II. Die Frage der Geschichtlichkeit im Denken Heideggers Zur Erhellung meiner These soll ganz kurz die Frage der Geschichtlichkeit entworfen werden, wie sie uns bei Heidegger begegnet. Zuerst werde ich zeigen, wie sie aufgetaucht ist und ausgearbeitet wurde, dann versuche ich festzustellen, was Heidegger mit diesem Gedanken eigentlich sagen will. Der erste Hinweis auf die Geschichtlichkeit ist am Ende der Habilitationsschrift zu lesen, wo Heidegger auf die Philosophie des Geistes, auf dessen tatvolle Liebe und im Zusammenhang damit auf die im mächtigen System der geschichtlichen Weltanschauung erscheinende Tiefe, Fülle und auf den Erlebnisreichtum verweist.6 Den entscheidenden Schritt hat Heidegger schon vor dem Schreiben von "Sein und Zeit" seinen Vorträgen, vor allem in dem, der "Ontologie oder die Hermeneutik der Faktizität" betitelt ist, hat er die faktische Lebenserfahrung ausgearbeitet, wie sie in der christlichen 5. HERDER, Korrespodenz, 1973/27. S. 418. 6. M. HEIDEGGER, Frühe Schriften, Frankfurt, 1972. S. 349-353.