Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)
Sacra theologia
INTERPRETATIONSMÖGLICHKEITEN DES VERHÄLTNISSES... 91 vor dem Umgreifenden, aber gerade diese Umgreifende bleibt dem Bewusstsein verborgen. Die gesamte Existenz offenbart sich durch die Objekte, bleibt aber im Hintergrund16. „Es selbst bleibt Hintergrund, aus ihm grenzenlos in der Erscheinung sich erhellend, aber es bleibt immer das Umgreifende“17. Der Ursprung der Philosophie liegt in der Verwunderung, dem Zweifel und dem Gefühl der Verlassenheit des Menschen. Darin wird uns die Umgreifende in Chiffem offenbart18. „Die umständlichsten Wege der Philosophie, die die Fachleute der Philosophie gehen, haben doch ihren Sinn nur, wenn sie münden in das Menschsein, das dadurch bestimmt ist, wie es des Seins und seiner selbst darin gewiss wird“19. II. Die Bedeutung des philosophischen Glaubens Jaspers suchte die Möglichkeit der Philosophie in der Verbindung von persönlicher Freiheit des Menschen und Offenheit für das Unbedingte. Gegenstand dieser Philosophie ist seine umfassende Erfahrung, die sich in Grenzsituationen und in der Kommunikation, in den zwischenmenschlichen Beziehungen manifestiert. Sie ist offenkundig, aber nicht greifbar. Wenn der Mensch sein wahres Selbst in Freiheit sieht, wird er sich sofort seiner eigenen Endlichkeit bewusst. Er wird sich seiner eigenen Grenzen bewusst, aber auch seiner Fähigkeit, sie zu überwinden. Jaspers nannte diesen Moment philosophischen Glauben20. Glaube in der Theologie bedeutet die Annahme von Aussagen, die in keiner Weise direkt überprüft werden können, aber diese Annahme ist eine solide Gewissheit, die nicht kognitiv ist, d.h. sie unterscheidet sich vom Wissen21. Jaspers’ Konzept des philosophischen Glaubens kann mit dieser Definition verbunden werden, obwohl sich der philosophische Glaube vom religiösen Konzept des Glaubens unterscheidet. „Der philosophische Glaube - schreibt Jaspers - wurde mir erst spät ganz bewusst. Niemand hat mich beten gelehrt. Aber unsere Eltern haben uns streng erzogen in der Ehrfrucht unter den lenkenden Ideen der Wahrhaftigkeit und Treue, in ständig sinn-16 Vgl. Copleston, F., A History of Philosophy, 160-161. 17 Jaspers, K., Einführung in die Philosophie, 30. 18 Vgl. Jaspers, K., Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962. 153- 155, 169, Jaspers, K., Philosophie, 33, wie Salamun, K., Karl Jaspers, Arzt, Psychologe, Philosopher, politischer Denker, München 1985. 65-75. 19 Jaspers, K., Einführung in die Philosophie, 11. 20 Vgl. Salamun, K., Karl Jaspers, Arzt, Psychologe, Philosopher, politischer Denker, 148. 21 Vgl. Werdenich, E., Hit, in Bangha B., (Hrsg.) Katolikus Lexikon, II. Budapest 1931. 288- 292.