Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

92 LÁSZLÓ GÁJER erfüllter Tätigkeit, in freier Zuwendung zu den Herrlichkeiten der Natur und den In­halten geitiger Schöpfungen. Sie ließen uns aufwachsen in einer erfüllten Welt“22. Für Jaspers bedeutete seine bürgerliche, laizistische Erziehung, dass sich die Bedeutung des Glaubens für ihn eher über einen philosophischen als über einen religiösen Ansatz erschloss. Während er darüber schrieb, wurde der Begriff des philosophischen Glaubens in seinem Werk immer reicher: „Seit meiner Philosophie (1931) ist der philosophische Glaube als Sinn der philo­sophischen Lehre öffentlich von mir vertreten worden. In der Schrift Der phi­losophische Glaube (1947) habe ich ihn ausdrücklich formuliert”23. Ich kann nicht von der Transzendenz überzeugt werden, ich kann ihre Existenz nicht beweisen, ich kann sie nur durch die authentische Ausübung meiner eigenen Freiheit empfangen. Philosophie ist ein Sprung in Richtung dessen, was weder bewiesen noch widerlegt werden kann24. Philosophie ist die Erfahrung un­überwindlicher Unmittelbarkeit, denn sie versucht, den Inhalt des philosophi­schen Glaubens in Fonn von formulierten Ansichten mitzuteilen, aber der Ge­danke bleibt immer fragmentarisch. Sie muß von demjenigen, der sie denkt, zur Wahrheit vollendet werden, da er sie in seiner eigenen Existenz verwirk­licht, und diese Arbeit ist selbst ein Akt des philosophischen Glaubens. Der Philosoph ist frei gegenüber seinen Gedanken, und deshalb kann der philoso­phische Glaube nicht zu einem Glaubensbekenntnis werden, er kann nicht zum Dogma werden. Sie bewahrt ihre Unvollständigkeit, ihre Offenheit und ihre Geschichtlichkeit. Sie kann nicht endgültig festgelegt werden. In einer historischen Situation greift der philosophische Glaube immer wieder auf sei­ne Ursprünge zurück. Sie muss die Umgreifende erhellen, das somit immer vermittelt bleibt. Sie muss in der Tat vermittelt bleiben. III. Der Inhalt des philosophischen Glaube Die Umgreifende ist die Existenz an sich. Nach Jaspers kann dies auch die Chiffre Gottes sein. Sie ist die axis mundi, die Achse der Welt, die die Existenz mit dem Transzendenten verbindet25. Die Umgreifende ist überall um uns he­rum, aber wir sind es auch selbst. Das Sein, das uns umfängt, kann die Welt sein, von der eine Seite unseres Seins ein Teil ist, oder die Transzendenz, die 22 Jaspers, K., Philosphische Autobiographie, München 1970. 115. 23 Jaspers, K., Die philosophische Glaube, 23. 24 Vgl. Kanakappally, B., 'Faith' and 'Communication' in the Philosophy of Karl Jaspers, in Studies in Interreligious Dialogue 10/1 (2000) 77; wie Őrnek, Y., Karl Jaspers. Philosophie der Freiheit, Freiburg-München 1986. 88-97. 25 Vgl. Olson, A. M., Transcendence and Hermeneutics. An Interpretation of the Philosophy of Karl Jaspers, Hague-Boston-London 1979. 137.

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