Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

90 LÁSZLÓ GÁJER Das Meer ist seine liebhaftige Gegenwart. Es befreit im Hinausgehen über die Ge­borgenheit, bringt dorthin, wo zwar alle Festigkeit aufhört, wir aber nicht ins Boden­lose versinken. Wir vertrauen uns dem unendlichen Geheimnis an, dem Unabsehba­ren, Chaos und Ordnung... Das Meer ist Gleichnis von Freiheit und Transzendenz (...). Das Philosophieren wird eingriffen von der Forderung, es aushalten zu können, dass nirgends der feste Boden ist, aber gerade dadurch der Grund der Dinge spricht“10. Diese Zeilen führen uns in den von Jaspers erforschten Raum, den Raum des Seins und der Freiheit, durch ein Bild, das Bild des Meeres ein. Das Meer ist ein Gleichnis für Freiheit und Transzendenz. Die Aufgabe der Philosophie ist es, das unendliche Geheimnis, das Unsichtbare und Unbedingte zu erforschen. Jaspers betrachtete das philosophische Forschen als einen Akt, in dessen Ver­lauf der Philosoph erkennen muss, dass er keinen festen Boden unter den Fü­ßen hat, dass er keine letzte Gewissheit erlangen kann und dass sein Bestreben daher „nicht der Besitz der Wahrheit, sondern das Suchenh der Wahrheit“11 sein muss. Sich in diesem Raum zu bewegen, so Jaspers, bedeutet, „auf dem Wege sein“, der offen und dynamisch, offen und unvollständig bleibt. „Diese liegt nie in einem aussagbaren Gewusststein, nicht in Sätzen und Bekenntnis­sen, sondern in der geschischtlichen Verwirklichung des Menschseins, dem das Sein selbst aufgeht“12. Philosophie geschieht und definiert sich im Laufe ihrer eigenen Entfaltung. Seine Aufgabe ist es, dem Sein nahe zu kommen. Der Philosoph ist eher ein Liebhaber der Weisheit als ihr Besitzer: Er lebt in der Nähe der Weisheit, kann sie aber nie in Worte oder Definitionen fassen, die er für unveränderlich hält. Durch mein Denken reiße ich immer etwas aus dem Ganzen heraus, mache es besonders und nebeneinanderstellbar, mache es abs­trakt. Die Umgreifende gibt uns kein neues Wissen, es ist inhaltslos, aber „durch seine Form öffnet er die unendlichen Möglichkeiten der Erscheinmung des Seiendes für uns, und lässt er zugleich alles Seiende transparent werden“13. Wir können die Existenz in der materiellen Welt nicht in ihrer Gesamtheit erfassen. Unser Denken geht an die Grenzen der materiellen Welt, erforscht sie, bleibt aber innerhalb dieser Grenzen, selbst wenn wir über die Grenzen des materiellen Wissens sprechen. „Es handelt sich in der Philosophie um das Ganze des Seins“14, ihr Gegenstand ist die Verwirklichung der lebendigen Idee, ihre Pflege ist die Aufmerksamkeit für die lebendige Idee. Als Wissen­schaft und Methode muss sie „vor dem Undeutbaren schweigen“15. Es steht 10 Jaspers, K., Schicksal und Wille. Autobiographische Schriften (Hrsg, von Saner, H.), München 1967. 15-16. 11 Ibid. 14. 12 Ibid. 14. 13 Ibid. 31. 14 Ibid. 10. 15 Ibid. 23.

Next

/
Oldalképek
Tartalom