Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

DENKEN DES UNÜBERTREFFLICHEN - DIE ZWEIFACHE NORMATIVITÄT...79 inhaltlich falsch. Auch diese formale Normativität41 des ontologischen Gottes­­begriffs, die nur einen präskriptiven Gebrauch zulässt,42 hat eine sie einschrän­kende Bedingung. Diese kann zwar nicht mit mathematischer Präzision be­wiesen, wohl aber sowohl mit Blick auf die faktische Religionsgeschichte der Menschheit als auch auf die innere Finalität der menschlichen Vernunft höchst wahrscheinlich gemacht werden: Nämlich die Annahme, dass der Gottesbe­griff Inbegriff des schlechthin Unübertrefflichen ist und damit einen singulä­ren epistemischen Status besitzt und folglich nur ein einziges Referenzobjekt bezeichnen kann; mit anderen Worten: Weil absolute Unübertrefflichkeit nur ein einziges Mal verwirklicht sein kann, wenn sie überhaupt verwirklicht ist, muss Gott als Inbegriff dieser Unübertrefflichkeit einer, mithin einzig sein. Philosophisch legitimierbar ist daher nur ein monotheistischer Gottesbegriff. In dieser formalen Normativität aber liegt ein weiterer Vorzug des ontologi­schen Gottesbegriffs gegenüber vielen anderen Gottesbegriffen der klas­sischen Metaphysik, denen in ihrer expliziten Gestalt diese formale Norma­tivität fehlt, da sie den formalen Charakter von Gegenstandsbestimmungen besitzen. Im Unterschied hierzu macht der ontologische Gottesbegriff Gott zu einer in Relation zum prinzipiellen Denkvermögen der endlichen Vernunft bestimmten Größe und hat damit nicht nur einen ontologischen, sondern eben­falls einen gleichsam noologischen Charakter. Auf Grund dieser seiner forma­len Normativität eignet dem ontologischen Gottesbegriff daher eine unüber­­holbare Aktualität und bleibende Bedeutsamkeit auch für jene Epochen der Geistesgeschichte wie die unsere, die die inhaltliche Normativität von ,Q‘ ge­danklich nicht mehr akzeptieren zu können glauben. Die formale Normativität des ontologischen Gottesbegriffs besitzt daher eine eminent wichtige kriterio­­logische Funktion für die formale Angemessenheit bzw. Wahrheit von Gottes­begriffen bzw. Gottesvorstellungen der menschlichen Vernunft überhaupt und schlechthin. Denn sie zeigt, dass nur solche Gottesbegriffe formal und damit auch inhaltlich wahrheitsfähig sein können, die den formalen Charakter eines absoluten Superlativs besitzen, die also Gott als Inbegriff des Unübertreffli­chen denken, auch wenn sie keine hinreichend angemessene Bestimmung des positiven bzw. affirmativen Gehalts dieses Unübertrefflichen vornehmen, wie dies bei den französischen Philosophen Emmanuel Levinas, Jacques Derrida und Jean-Luc Marion der Fall ist.43 41 Der Norm-Begriff wird hier nicht in seiner rechtswissenschaftlichen, sondern in seiner philo­sophischen Bedeutung eines Begriffs für ein bestimmtes, objektiviertes Maß genommen; zu diesem Norm-Begriff, vgl. ausführlich Krings, H., Norm 1. Philosophie der Norm, 62. 42 Zu dieser Möglichkeit eines präskriptiven Gebrauchs eines Normbegriffs, vgl. Krings, H., Norm I. Philosophie der Norm, 63. 43 Vgl. hierzu Enders, M., Zum ontologischen Gottesbegriff, seiner normativen Bedeutung und seinen Spiegelungen im zeitgenössischen Denken.

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