Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

DER PRIESTER IN DER ANZIEHUNG VON CHRISTUS 77 len sich selbst zerstört, ist nur zu krankhaften Beziehungen fähig: daher die Ge­walt, Angst, Manipulation und das Gefühl des immerwährenden Leerseins und der Entfremdung. Daher die Gefühllosigkeit nach dem Leiden der anderen, denn das andere ist nur ein Gegenstand, ein Mittel, eine gebrauchsfähige Kraft­quelle im Interesse des Gewinns, der Karriere und des Genusses. Und auch ich bin nur das im Augen des anderen. Auch das Besitzen, der Ruf und die Macht ist Selbstverwöhnung, eine Art todbringendes Narkotikum und Opium.27 Flucht vor der Erkennung und Anerkennung der Schutzlosigkeit des persönlichen Da­seins, Flucht vor versagender Stimme unseres persönlichen Ichzentrums, vor dem Mitleid und dem Aufschliessen der Probleme der anderen. Denn das ist der Anfang des Persönlichseins. Der Herr Jesus lehrt uns dieses Mitleid, das Zuhören der Liebe, das Übernehmen der Verletzbarkeit. Er erinnert uns daran, dass, wenn unser Herz mit Liebe erfüllt ist, alles Wichtige uns gehört. Von je­nem Tag genügt uns das tägliche Brot, und wir werden zu jeder ehrlichen Arbe­it bereit sein. Von jenem Tag an wollen wir nicht rücksichtslos vorgehen, und wir können auffassen, warum die wahre Religion der Schlüssel der unversehr­ten Seele und der unversehrten Gesellschaft ist. Wenn Er, Christus der Herr unseres Herzens, unserer Seele und unseres Geistes wird, wird also jemand sein, der über uns ist, aber er wird nicht zu unse­rem Über-Ich sein, er versteht unsere Rollen, aber er erinnert uns, dass das Ich mehr als seine Rollen ist; er versteht die bestimmende Kraft der Erfahrungen unserer Vergangenheit, aber er ermutigt uns, das zu überschreiten. Die Nach­folge von Christus bildet in uns Gewohnheiten, er erinnert uns jedoch daran, dass wir nichts mechanisch machen sollen, sondern aus Liebe, mit Herz und Seele. Wenn wir Ihn als Ideal wählen, erfahren wir gleich, dass er nichts Un­mögliches verlangt, wir sollen ihm nur in der Einfachheit unseres Herzens fol­gen; nicht einmal das Streben nach der Vollkommenheit darf uns quälen. Wenn wir unser Ich zu seinem binden, meidet uns der Dämon des Konsums, wir brau­chen seine Verwöhnung nicht, denn unser Herz wird durch die edle Gesinnung von Christus erfüllt, und das zu geniessen ist das wahre Vergnügen der Seele. So ein höheres und all unser Wesen umfassendes und durchdringendes Ich will der Herr von uns, von unserem Wesen sein. Ohne ihn können wir die Un­vollständigkeiten unseres Ichs nicht beherrschen und bewältigen, ohne ihn kön­nen wir vor den persönlichkeitsschädigenden Wirkungen unseres Torso-Ichs nicht fliehen. Wir sollen also die Gründe, Motive unserer Entfremdung erkennen und den Mut haben Christus zu bitten, die Unvollkommenheiten sowie Torsos 11 Die Humanethologen beschreiben diese Erscheinung als Entlaufserschienungen der kulturellen Evolution, das heisst als ein Symptom, das heute die Kultur sozusagen überwältigend be­herrscht, aber für morgen fällt es fast alles zerstörend an, nicht schonend die Kultur und die Zi­vilisation. Vgl. Csányi, V., íme, az ember. A humánetológus szemével [Siehe, der Mensch! Mit den Augen des Humanethologen], Budapest 2015. 330-337.

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