Folia Theologica et Canonica 6. 28/20 (2017)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSE, Joseph Hollweck und sein Werk „Die kirchlichen Strafgesetze“ anmerkungen anlässlich der anstehenden Reform des kirchlichen Strafrechts

222 STEPHAN HAERING OSB man vor allem im ersten Abschnitt, der über die allgemeinen Regelungen be­züglich der Strafvergehen handelt, Aussagen zur Strafverschärfung bzw. Straf­milderung. Das ist jedoch nur teilweise der Fall. Dagegen benannte Hollweck in diesen Bestimmungen ausdrücklich verschie­dene Strafausschließungsgründe. In §§ 12 bis 19 führte er verschiedene Tatbe­stände auf, welche die Bestrafung einer Tat stets oder zumindest „regelmäßig“ ausschließen. Inhaltlich entsprechen die von Hollweck zusammengestellten Regelungen im Wesentlichen der heute geltenden Normierung der cc. 1321— 1323 CIC. Es gibt jedoch auch einzelne Unterschiede, die mit der Weiterent­wicklung des kirchlichen Strafrechts im 20. Jahrhundert Zusammenhängen. Be­merkenswert ist die Anhebung des Strafmündigkeitsalters. Während das gel­tende Recht mit c. 1323 n. 1 CIC die Strafmündigkeit mit dem vollendeten 16. Lebensjahr bestimmt, ist bei Hollweck (§ 12) gemäß damals geltendem Recht als Grenze das vollendete 7. Lebensjahr vorgesehen.71 Mit dem Erreichen jenes Alters, bei dem gesetzlich das Eintreten des Vernunftgebrauchs angenommen wird, trat also auch Strafmündigkeit ein. Man kann fragen, ob diese Regelung nicht wenigstens abstrakt konsequenter war, als es das heute geltende Recht ist, zumal auch bei Hollweck noch daraufhingewiesen wird, dass das jugendliche Alter womöglich die Zurechnungsfähigkeit ganz aufhebe und dann aus diesem Grund gänzliche Straffreiheit gegeben sei.72 Einen eigenen Katalog von Strafverschärfungs- oder Strafmilderungsgründen, an dem sich der kirchliche Richter orientieren kann und muss, führte Joseph Hollweck nicht auf. Das bedeutet freilich nicht, dass er in der Beurteilung des einzelnen kirchlichen Strafrechtsfalles entsprechende Gründe zur Verschärfung bzw. Milderung der angewendeten Sanktionen nicht zulassen würde. Ganz aus­drücklich wies er etwa in § 12 darauf hin, dass jugendliches Alter stets ein Grund zur Wahl einer milderen Strafe als der allgemein gesetzlich vorgeschrie­benen sei. Er hielt also unter bestimmten Umständen auch eine Strafmilderung für gerechtfertigt. Zur Strafverschärfung nahm Hollweck in den einleitenden Normen seiner Strafgesetze ausdrücklich Stellung und hielt in § 10 fest, dass der Rückfalltäter 71 Hollweck, J., Die kirchlichen Strafgesetze (wie Anm. 7), 5 bzw. 74: „§ 12. Die Strafmündig­keit beginnt mit vollendetem siebenten Lebensjahr; jugendliches Alter gilt, wenn es nicht die Zurechnungsfähigkeit ganz aufhebt, was Thatfrage ist, als Strafmilderungsgrund." 72 In seinem Votum als Mitarbeiter der Kommission für die Erarbeitung des kirchlichen Gesetz­buchs plädierte Hollweck später für ein allgemeines Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren und vertrat darüber hinaus die Position, dass junge Leute bis 25 Jahre, die aus Leidenschaft handeln, milder zu bestrafen seien. Siehe Musselli, L., Il contributo di Joseph Hollweck (wie Anm. 13), 160: „Can. 16. Propter non satis firmum et evolutum aetatis iudicium praesumitur incapax delic­ti ecclesiastici ante annum decimum quartum expletum, nisi lex expresse aliter disponat. Mino­res viginti quinque annis in atrocioribus mitius puniendi sunt.“

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