Folia Theologica et Canonica 6. 28/20 (2017)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSE, Joseph Hollweck und sein Werk „Die kirchlichen Strafgesetze“ anmerkungen anlässlich der anstehenden Reform des kirchlichen Strafrechts

JOSEPH HOLLWECK UND SEIN WERK „DIE KIRCHLICHEN STRAFGESETZE“... 223 schärfer bestraft werde als jener, der zum ersten Mal straffällig wird.73 Bei den von selbst eintretenden Strafen (poenae latae sententiae) besteht die Strafvers­chärfung für den Täter darin, dass die Bedingungen für die Lossprechung erschwert werden. Wird die Strafe dagegen von einem Richter verhängt, so ob­liegt es diesem, den Rückfalltäter angemessen schärfer zu sanktionieren. Auch in seinem entsprechenden Votum zum künftigen kirchlichen Gesetzbuch vertrat Hollweck später als Mitarbeiter der Kodex-Kommission diese Position.74 Generell postulierte Hollweck also die Möglichkeit der Strafverschärfung bzw. der Strafmilderung bei der Festsetzung des Urteils durch den Richter. In der Einleitung seines Werks trug er Überlegungen vor, die diese Auffassung stützen und in grundsätzlicher Weise rechtfertigen. Zum einen führte er in seinen prinzipiellen Überlegungen zur Funktion eines kirchlichen Strafrechts folgendes aus: „Muß die Kirche ihre Rechtsordnung eventuell durch Strafe aufrechterhalten und durchfuhren, so braucht sie das doch nicht mit derselben Strenge und Starrheit zu thun wie der Staat. Sie kann darauf verzichten einzuschreiten, wenn doch dadurch nichts gewonnen wird, wenn weder die Rechtsordnung wirksam geschützt, noch das Heil der Seelen gefördert werden kann. (...) Ein einzelnes Verbrechen kann ganz ignorili werden, wenn nach Lage des Falles die Rechtsordnung keine merkliche Schädigung erlitt, dagegen durch Igno- rirung eine raschere Wiedergewinnung des Schuldigen erhofft werden darf. Auch die Strafe kann erlassen oder doch gemildert werden durch Absolution oder Begnadigung, wenn Besserung beim Fehlenden eingetreten ist und die Rücksichtnahme auf die Rechtsordnung dies gestattet. Bei der Anwendung des kirchlichen Strafrechts kann also eine vielfältige Rücksichtnahme auf Personen, Orte, Verhältnisse stattfinden, ja muß zuweilen geübt werden.“75 Hollweck sah also im Vordergrund die öffentliche Funktion eines kirchlichen Strafrechts, dessen Anwendung immer gewissermaßen vom kirchlichen Ge­meinwohl her zu betrachten ist und keine schematische Gleichbehandlung aller einzelnen Fälle verlangt. Damit ist auch Raum für eine Strafmilderung oder gar einen Strafverzicht gegeben; es wird aber auch eine Verschärfung der zu ver­hängenden Strafe möglich. Unter der Prämisse des übergeordneten kirchlichen 73 Hollweck, J., Die kirchlichen Strafgesetze (wie Anm. 7), 5 bzw. 73: „§ 10. Der Rückfall in das­selbe Verbrechen zieht Verschärfung der Strafe nach sich, die sich bei den von selbst eintreten­den Strafen dadurch äußert, daß nur unter erschwerten Bedingungen die Lossprechung gegeben wird.“ 74 Musselli, L., Il contributo di Joseph Hollweck (wie Anm. 13), 167: Can. 39 Abs. 1 : „Relapsi in eadem crimina sive acrioribus poenis coerceantur sive difficilius dispensentur vel absolvantur.“ 75 Hollweck, J., Die kirchlichen Strafgesetze (wie Anm. 7), XIX-XX.

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