Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)

SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die Gnade Gottes und der Heilige Geist in der Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus

26 IMRE KOCSIS durch das Gesetz zur Herrschaft gelangte beziehungsweise ihre Herrschaft auf­rechterhält. Seine diesbezügliche Position stellt der Apostel im 7. Kapitel dar. Eine detaillierte Präsentation seiner Beweisführung ist hier nicht notwendig.25 Trotzdem halte ich für sinnvoll, einige Gesichtspunkte hervorzuheben, damit man besser verstehen kann, in welchem Sinn das Gesetz durch die Gnade abge­löst wird. Im 7. Kapitel behauptet Paulus eindeutig, das das Gesetz „heilig“ und „gut“, sogar „geistlich“ ist, das heißt von Gott stammt und den Willen Gottes authentisch ausdrückt. Aber der Sünde gegenüber erweist es sich als schwach (Röm 8,3), denn es keine Hilfe verleiht zur Verwirklichung der in ihm enthalte­nen Vorschriften und Verbote. Da das Gesetz keine Kraft dem Menschen dazu gibt, das Böse zu vermeiden, ernährt und verstärkt es eigentlich die sündigen Wünsche. Dadurch aber, dass es die Sünde als Sünde entlarvt (Röm 7,13), lädt die Verantwortung unwiderruflich auf unsere Schultern und verstärkt so das Bewusstsein der unausweichlichen Verurteilung. In diesem Sinne behauptet Paulus in 2Kor 3,6: „der Buchstabe tötet“. Der „Buchstabe“ (ypappoc) drückt treffend aus, worin die Schwäche des Gesetzes besteht: es ist nur äußere Wirk­lichkeit, die ihre eigentliche Funktion - die im Spenden des Lebens bestehen würde - dem sündhaften Menschen beziehungsweise der im Menschen wohn­enden Sünde gegenüber nicht ausüben kann. Der Erlösungstod Christi beziehungsweise die sakramentale Teilnahme da­ran befreien auch von diesem sich als schwach erweisenden und der Sünde un­terworfenen Gesetz: „wir sind tot für das Gesetz und dienen in der neuen Wirk­lichkeit des Geistes, nicht mehr in der alten des Buchstabens“ (Röm 7,6). Die das Gesetz ablösende Gnade ist nichts anderes als der den Glaubenden inner­lich befreiende und zum Dienst Gottes befähigende Heilige Geist. Aus dem 8. Kapitel stellt sich aber heraus, dass „die neue Wirklichkeit des Geistes“ keine Gesetzlosigkeit bedeutet, sondern darin besteht, dass der Geist die Rolle des Gesetzes übernimmt. Darauf bezieht sich der in Röm 8,2 zu lesende Aus­druck „das Gesetz des Geistes des Lebens“,26 zu dessen Verständnis die oben erwähnten Prophetien von Jeremia und Ezechiel zu beachten sind.27 Nach Jere­mía entsteht der neue Bund grundsätzlich dadurch, dass Gott sein Gesetz ins 25 Zum paulinischen Gesetzesverständnis vgl. Hübner, H., Das Gesetz bei Paulus, Göttingen 19807 Räisänen, H., Paul and the Law, Tübingen 19877 Limbeck, M., Das Gesetz im Alten und Neuen Testament, Darmstadt 1997. 115-128. Schnelle, U., Paulus und das Gesetz, in Becker, E.-M. - Pilhofer, P. (Hrsg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, Tübingen 2006, 245- 270. Zur Problematik von Röm 7 vgl. Lyonnet, S., Etudes sur ì’épìtre ata Romains, Roma 1990. 203-230. Krauter, S. (Hrsg.), Perspektiven auf Römer 7, Neukirchen-Vluyn 2016. 26 Wir müssen auch beachten, das das Substantiv vópoi; an dieser Stelle grundsätzlich „ein den Menschen bestimmendes und festlegendes »Prinzip«“ bezeichnet. Wolter, M., Der Brief an die Römer, 473. 27 Vgl. Lyonnet, S., Eludes sur Tépitre aux Romains, 231-241.

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