Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Hans Mendl, Wenn der Tod einbricht (...) Kinder, Gott und das Leid
54 HANS MENDL In der christlichen Tradition stellt die Inkarnation Christi den unüberbietbaren solidarischen Akt der Annäherung Gottes an den Menschen dar. Gott steigt mit Christus ins menschliche Leid herab und bleibt konsequent Mensch bis zum bitteren Tod am Kreuz. Die Rede vom stellvertretenden Sühnetod Jesu Christi sollte nicht heilsmaterialistisch verstanden werden, sondern viel stärker vom ganzheitlichen jüdischen Leib- und Blutbegriff her als Inbegriff all dessen, was den Menschen ausmacht: Gott zeigt sich in Jesus Christus als umfassend verantwortlich für den Menschen; das bezieht sich sowohl auf den Umgang Jesu mit Kranken und Ausgegrenzten29 30 und in seinem Heilsverständnis vom Reich Gottes, aber auch auf die Konsequenz, mit der dieses Leben und Lehren in den Tod und in die Auferstehung führt. In dieser Traditionslinie besteht die Hauptaufgabe von Christen bei der Leidbewältigung darin, solidarisch mit den vom Leid Betroffenen zu leben, zu reden und zu handeln. Nicht die Theorie, sondern die Praxis des Glaubens bietet eine angemessene Antwort auf die Leidfrage. Ein Zeugnis für einen solchen solidarischen Glauben, das auch das Fragen und Zweifeln nicht ausspart, gab der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woel- ki, in seiner Predigt im Kölner Dom am 17.4.2015 anlässlich der Trauerfeier für die Opfer des German-Wings-Absturzes: „Wir glauben, dass diese 150 Menschen nicht ins Nichts gegangen sind. Kann man das glauben? Ist es wirklich ein Trost für uns Menschen, dass Gott selbst mit unserem Leiden mitleidet? Hier stehe ich nun also: als Mensch, als Christ, als Erzbischof von Köln, und ich habe keine Antwort auf das schreckliche Unglück vom 24. März 2015. Aber ich kann auf eine Antwort zeigen, die meine Hoffnung ist: auf den mitleidenden Gott am Kreuz.“3" III. Handeln: Religionspädagogische Konsequenzen Wie nun diese Grundhaltung einer christlichen Solidarität in Bildungszusammenhängen konkretisiert werden kann, soll im Folgenden veranschaulicht werden. Dabei beziehen sich die Ausführungen sowohl auf grundlegende Haltungen im Umgang mit der Trauer von Kindern und Jugendlichen als auch auf konkrete Handlungsoptionen. 29 Auch die Wundererzählungen sollten als Ansage gegen ein rein spiritualistisches Christentum verstanden werden: Dem Menschen geschieht Heil an Seele und Leib! 30 http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2015/2015-059-K-Woelki- Predigt-Trauerfeier.pdf (17.1.2016).