Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Mihály Kránitz, Das Evangelium der Vielfalt der Kulturenzukommen lassen
DAS EVANGELIUM DER VIELFALT DER KULTUREN ZUKOMMEN LASSEN 15 Die Kultur vermag immer etwas Universales, allezeit Gültiges zu verfassen, wenn sie Geister motivierende Werke nicht nur auf Bestellung macht, was in der Vergangenheit oft vorkam, wenn die Mittel der Dichtung, der Musik, der Baukunst, Malerei, Bildhauerei oder des Films in den Dienst einer Ideologie gestellt worden waren. Die Verwirklichung der natürlichen Beziehung des Glaubens und der Kultur wird jedoch auch durch etwas anderes bedroht, was wir in unseren Tagen auf der eigenen Haut erfahren. Heute erfüllt der Skeptizismus des postmodernen Zeitalters und eine unwahre und vorgestellte Welt die Phantasie des Menschen, auf die grundsätzlich die Bilder wirken und als Kulturersatz beherrscht der Film, das Kino und das Spektakel die immer wieder hungrige Gesellschaft. Oft vergessen wir, dass der die Botschaft der den Betrachter entzückenden alten Ikonen schaffende Mensch seine tatsächliche Tätigkeit nach Fasten und Gebet begonnen hat. Die Unterschrift der Werke, die eigentlich für die griechische Kultur charakteristisch war, setzt der menschlichen Person ein ewiges Denkmal. Aber wir kennen weder die Entwerfer noch die Schöpfer von zahllosen, den Geist der Menschheit bereichenden Werken, von den Pyramiden bis zu den mittelalterlichen romanischen Kirchen. Seit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts hatte die Bedienung der Massen begonnen, und das bedeutete die Serienproduktion der auf dem Fliessband hergestellten, oft der zur Bequemlichkeit dienenden Mittel. Hier gibt es keinen persönlichen Besteller mehr, nicht so wie zum Beispiel bei einem Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle, einem der Meisterwerke von Michelangelo, das Julius II. von ihm am 10. Mai 1508 verlangte. Die angefangene Arbeit beendete Michelangelo vor 500 Jahren, im Oktober 1512. Heute gibt es aber keine Musen und keine Inspiration, sondern - von einem engen Kreis abgesehen - auch im Bereich der Kultur nur Leistungen, die der persönlichen Invention und Äußerung nur sehr wenig Raum einräumen.16 Eine Art Globalisierungsprozess der Preisermässigung der Kultur, die die Ideologien durch die Technologien zu ersetzen vermag, wird sich selbst — wie darauf Papst Benedikt XVI. aufmerksam macht-zu einer ideologischen Macht, und er setzt der Menschheit der Gefahr, dass die Fragen bezüglich des Seins und der Wahrheit nicht mehr stellt werden.17 Die Welt und darin auch Europa ist ein Dorf geworden, wo sich die Entwicklung nur auf die Technik bezieht. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Formen von in der Geschichte einmal schon verwirklichten und Inhalt gebenden idealen und lange Zeit dauernden Mustern mit einer riesigen spirituellen und künstlerischen Anstrengung gegenüber der neuaufstrebenden Anspruchslosig16 Darüber siehe: Meloni, A., Poverty of the Church - Poverty of Culture: A Contribution of Giuseppe Dossetti to Vatican II, in Theological Studies 75/3 (2Ò14) 485-501. 17 Benedictus XVI, Enc. Caritas in vernate (29 iun. 2009) 70.