Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient

TRADITIONSAUSLEGUNG AM KONZIL VON TRIENT 91 Standpunkt und argumentierte für den inhaltlichen Ergänzungscharakter der Tradition.36 Im Gegensatz zu ihm machte J.S. Geiselmann darauf aufmerksam, dass während der Konzilssitzungen der ursprüngliche Text verändert und die Formulierung „partim-partim“ (teils-teils) im endgültigen Text durch „et“ er­setzt worden war. Diese Veränderung geht auf den Vorschlag vom Serviten- general Angelo Agostino Bonuccio zurück, der sich gegen den Ausdruck „par­tim-partim“ mit der Begründung wehrte, dass „jede Wahrheit des Evangeliums aufgezeichnet worden war, nicht nur teilweise.“37 Geiselmann folgert daraus, dass die bewusste Textveränderung die Absicht zum Grund hatte, die Annahme zweier selbständiger Erkenntnisquellen der Glaubenswahrheiten zu vermeiden, und zum Ergebnis, dass am Ende die neutrale Konjunktion „et“ anstatt von „partim-partim“ zum Gebrauch kam. Dies bedeutet aber, dass die nach dem Konzil übliche Zwei-Quelleninterpretation nicht unbedingt zu akzeptieren ist. Angesichts der Entstehungsgeschichte des Konzilstextes hat auch die Interpre­tation seine Berechtigung, die zwischen den kanonischen Schriften und den apostolischen Traditionen bloßen Modalitätsunterschied sieht, kein Ergän­zungsverhältnis.38 Eine dritte Interpretation ist mit Geiselmann darin einver­standen, dass das Tridentinum von der Bestimmung des Verhältnisses der Traditionen und der Schrift in Wahrheit absieht und also die Interpretation berechtigt ist, dass die Schrift inhaltlich ausreicht und die Tradition in der Bibelauslegung ausschlaggebend ist. Dogmenhistoriker dieser Auffassung argumentieren aber unterschiedlich: Johannes Beumer zeigt z.B. auf den Schwachpunkt der Argumentation von Geiselmann hin und meint, die Erset­zung von „partim-partim“ durch „et“ verfügt nicht über die Bedeutsamkeit, die ihr Geiselmann zuschreibt.39 Zugleich betont Beumer, dass das Konzil nach­36 Lennerz argumentierte aufgrund des Begriffes der mündlichen Tradition, der Wortwahl der Korrespondenz der Konzilsväter, der Texte bezüglich der apostolischen Traditionen der späte­ren Dekrete des Konzils und der Schriften der katholischen Kontroverstheologie, siehe: Len­nerz, H., Notulae Tridentinae, in Gregorianum 27 (1946) 136—144. Lennerz, H., Scriptum Sola?, in Gregorianum 40 (1959) 38-53. 37 „Omnem veritatem evangelicam scriptam esse, non ergo partim.” CTA I, 525,18. Ähnlich äußerte sich Bischof Nachianti: „Nemo enim ignorât, contineri in sacris libris omnia ea, quae ad salutem pertinent”. CTA V, 18,28. 38 Geiselmann, J. R., Das Konzil von Trient über das Verhältnis der Heiligen Schrift und der nichtgeschriebenen Traditionen. Die mündliche Überlieferung (Hrsg. Schmaus, M. - Kaiser, Ch.), München 1957. 123-232. 39 Beumer macht darauf aufmerksam, dass die Bedeutung des „partim-partim“ nicht unbedingt auf die inhaltliche Trennung als „teils-teils“ einzugrenzen ist, sondern im gegebenen Kontext auch mit „nicht nur (...), sondern auch oder „sowohl (...), als auch“ wiederzugeben ist und zwar umso mehr, da es bei der Wendung „partim-partim“ sich um eine lateinische Übersetzung eines Basilius (oder Pseudo-Dionysius)-Zitats handelt, was an sich im Textentwurf des Dekrets nicht unbedingt wichtig ist. Darüber hinaus ist es wohlbekannt , dass auch der Augustinergeneral Seripando die Wendung „partim-partim“ gebraucht hat, obwohl er explizite und konsequent der Ansicht war, dass die Schrift ausreichend ist. Beumer, J., Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, in Handbuch der Dogmengeschichte I, Das Dasein im Glauben (Hrsg. Schmaus M. - Grillmeier, A.), Freiburg-Basel-Wien 1962. 83.

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