Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient
TRADITIONSAUSLEGUNG AM KONZIL VON TRIENT 89 Traditionen vom Konzil beschrieben? Das Dekret deutet diese Traditionen vor allem als überlieferte objektive Inhalte, Wahrheiten in Bezug auf den Glauben und regulierende Normen kirchlichen Lebens und gebraucht eben deswegen auch die Pluralform „traditiones“. Tradition als Akt der Überlieferung bleibt eine Voraussetzung, als solche aber im Hintergrund. Das Wort „traditio“ ist auch im Singular in Äußerungen und Dokumenten des Konzils zu finden, aber immer im Sinne eines Sammelbegriffes der überlieferten Inhalte. Die Bedeutung des Attributs „ungeschrieben“ (sine scripto) reicht von der mündlichen Überlieferung durch Beispiele bis zu ihren institutionellen Formen. Das Konzil spricht über Traditionen, die göttlicher Abstammung sind, da sie der Lehre Christi oder der Inspiration des Heiligen Geistes entstammen. Apostolischer Natur sind diese Traditionen, da die ersten Subjekte der Rezeption und Überlieferung dieser Inhalte die Apostel Christi waren - deswegen gebraucht das Dekret im Titel den Ausdruck „traditiones apostolomul“. Weiter spricht das Dekret über Traditionen, welche mit ununterbrochener Folge von den Aposteln bis zur Gegenwart bewahrt worden sind. Damit werden Traditionen aus der Lehre ausgeschlossen, die partikularer, lokaler Natur sind oder während der Kirchengeschichte ihr Ende gefunden haben. Einheit und kontinuierliche Aufeinanderfolge (continua successione) mit der apostolischen Abstammung, bzw. gesamtkirchliche Geltung (in ecclesia catholica conservatas) sind wichtige Züge der Traditionen, die das Konzil erwähnt. Das Dekret weist darauf allgemein hin, dass der Raum der Überlieferung dieser apostolischen Traditionen die Kirche ist, geht darauf nicht ausführlich ein, wer, mit was für einer Befugnis und mit was für einem Auftrag Träger und Subjekt des Aktes der Überlieferung ist. Zusammenfassend ist es festzustellen, dass das Konzil, obwohl es nicht terminologisch zwischen bloß kirchlicher und apostolischer Tradition unterscheidet, sich inhaltlich dennoch auf die letztere bezieht und einige wesentliche Kriterien zu ihr angibt: Göttliche Abstammung, apostolische Weitergabe, gesamtkirchliche Geltung, zeitliche Kontinuität, Inhalt bezüglich des Glaubens und der Diszipfin. Es lehrt, dass die apostolischen Traditionen, welche diesen Kriterien entsprechen, Heilswahrheiten und Disziplinnormen aus der einzigen Quelle, dem Evangelium enthalten.32 Wie die Konzilsdokumente bezeugen, verlangten einige Väter am Konzil, dass das Dekret die apostolischen Traditionen aufzählt. Die Diskussionen führten letztendlich dazu, dass das Konzil es unterließ ein Beispiel apostolischer Tradition zu nennen. Das ausgesprochene Ziel des Konzils war ja nur die Bestimmung, dass es neben den kanonischen Schriften apostolische Traditionen gibt, welche Heilswahrheiten und Lebensregeln vermitteln. In den darauffolgenden Dekreten sind konkrete Anspielungen an solche Traditionen zu 32 Sesboüé, B. - Theobald, Ch., Storia dei dogmi, IV: La parola della salvezza XVI-XX secolo, 126-128.