Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient

TRADITIONSAUSLEGUNG AM KONZIL VON TRIENT 83 Schrift das Wort Gottes, Christus selbst beinhaltet und vom Heiligen Geist inspiriert ist, wodurch Gott das Heil des Menschen vollbringt, so ist die Schrift die einzige unfehlbare Autorität der Kirche, das höchste Maß des Urteils über jedwede Glaubenslehre. Nach Luther sei das Lehramt in der Kirche letztend­lich überflüssig, ein unfehlbares Lehramt sei gar unmöglich. Gottes Wort sei nicht an die apostolische-bischöfliche Sukzession oder an das Lehramt gebun­den, es seien alle Christen zur Verkündigung des Evangeliums und zur Spen­dung der Sakramente eingeladen.12 Luther hält es für unvorstellbar, dass Chris­tus seine Vollmacht einem fehlbaren Menschen übertragen hätte. Allein Gottes Wort sei unfehlbar; die Konzilien seien es aber nicht und so komme es auch tat­sächlich vor, dass sie sich geirrt haben, so z.B. in Bezug auf das Messopfer, die Zahl der Sakramente und die Lehre über das Priestertum.13 Die Unvereinbarkeit einiger kirchlicher Traditionen - kirchliche Bräuche und dogmatische Lehren begründet mit der Autorität von Konzilien, Päpsten und dem Decretum Gratiani - mit dem Evangelium Christi der Rechtfertigung aus Gnade brachte Luther auf das formale erkenntnistheoretische Prinzip „sola scriptum” und dadurch auf die Überzeugung, sich nur daran halten zu müssen, was die Offenbarung der Heiligen Schrift sagt.14 Gegenüber der Autorität der Päpste, Konzilien und kirchlichen Bräuche beruft er sich auf das Evangelium als einzige und höchste Instanz. Selten gebraucht er das Wort „traditio“ , wenn doch, dann abwertend. In Bezug auf Mt 7,8 und Kol 2,8 spricht er über tradi- tiones hominum, bloß menschliche Traditionen und versteht oft kirchliche Riten darunter.15 Luther hat, Calvin aber vielleicht noch viel mehr versucht, die ausschließliche Verfügungsmacht Uber das religiöse Leben in der Kirche Gott allein vorzubehalten, ohne jedwede dazwischenliegende menschliche Instanz und deren Tradition. Die reformierte Theologie neigte seit jeher zur Beschrän­kung der heilbringenden Gegenwart und Tätigkeit Gottes auf das Wort der Schrift, das Wirken des Heiligen Geistes auf die Inspiration der Schrift, die Erweckung des persönlichen Glaubens an das Wort Gottes und das Verständnis der Bibel. Womit sie nicht gezählt hat, ist, dass der Zeugenschaft der biblischen Offenbarung nach das apostolische Lehramt zur Wesensstruktur der Kirche gehört und mit Autorität und verheißener Unterstützung des Heiligen Geistes seiner Berufung nachgeht.16 Das Prinzip sola scriptura bedeutete aber nicht tat­sächlich die völlige Verneinung der Tradition oder der kirchlichen Autorität. 12 Die evangelischen Theologen Steck und Stählin meinen, Luthers Auffassung des kirchlichen Amtes ist mit den Schriften lutherischen Glaubensbekenntnisses unvereinbar: Schütte, H., Protestantismus. Selbstverständnis, Ursprung, Katholische Besinnung, 353. 13 Schütte, H., Protestantismus. Selbstverständnis, Ursprung, Katholische Besinnung, 365. 14 Ein Axiom, das Luther im Leipziger Disput mit Johann Eck formuliert hat: WA II, 279, 303. Siehe: Congar, Y., Die Tradition und die Traditionen, II. Mainz 1965. 173. 15 WA I, 659, 37. Das Augsburger Bekenntnis gebraucht den Ausdruck ebenso im negativen Sinne. Siehe: CA 7; 26. 16 Schütte, H., Protestantismus. Selbstverständnis, Ursprung, Katholische Besinnung, 456, 460.

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