Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient

84 ATTILA PUSKAS Laut Luther wird das Evangelium nicht nur und nicht in erster Linie vom Buchstaben der Schrift, sondern der kirchlichen Wortverkündigung vermittelt (viva vox evangelii).11 Die Reformatoren akzeptierten die Dogmen, bzw. Glaubensbekenntnisse der ersten vier ökumenischen Konzilien, behielten die Kindertaufe bei, die zur nicht schriftlichen apostolischen Tradition zählte und nahmen Bezug auf Schriften der Kirchenväter. Sie sahen diese als Zeugen des Glaubens der Kirche an und nahmen ihre Zeugenschaft an, sofern sie der Schrift nicht wiedersprachen.17 18 Sich auf das Evangelium der Rechtfertigung beziehend kritisierten sie aber heftig Bräuche und Beschlüsse, welche laut ihnen die römische Kirche eingeführt und gefasst hatte: Die weiteren 4-5 Sakramente, die Lehre des Purgatoriums, das Gebet für die Verstorbenen, die Bilderverehrung, die Ordensgelübde, den Brauch des Fastens und der Feste. Insgesamt verkünde und habe laut ihnen das Lehramt (und die Tradition) für die Existenz der Kirche nicht unbedingt notwendige, letztendlich überflüssige, theoretisch fehlbare und auch tatsächlich falsche Lehren verkündet. Für die Existenz der Kirche als Glaubensgemeinschaft (congregano fidelium) ist die Verkündigung des reinen Evangeliums und die richtige Spendung der Sakra­mente genügend.19 Eines Lehramtes bedürfe es unbedingt weder für die Ver­kündigung und Bewahrung der Reinheit des Evangeliums, noch für die Bestim­mung und Ausübung der richtigen Spendung der Sakramente. Die normative Autorität der Schrift genüge für die Verwirklichung der beiden Kirche stiften­den Elemente.20 Nun hatte das Tridentinum auf diese erkenntnistheoretische Grundposition der reformierten Theologie eine Antwort zu suchen und die Rolle der Tradition in der Kirche zu klären. 17 WA 7,721. Siehe: Meyer, H., Die ökumenische Neubesinnung auf das Überlieferungsproblem, in Versöhnte Verschiedenheit, Aufsätze zur ökumenischen Theologie, II. Frankfurt am Main- Paderborn 2000, 20 lf. 18 Melanchthon, Ph., De Ecclesia et auctoritate verbi Dei, 1539, CR XXIII, 598. Calvin, J., Institutio religionis christianae, IV, 9, 8. 19 Siehe: CA VII, 1-3. 20 Congars Ansicht gemäß bringt die Grundentscheidung hinter dieser Sichtweise einen Bruch mit der früheren, eineinhalb tausend Jahre alten Tradition. Die Reformatoren stellten mit ihrer Theologie eine ausschließliche Alternative auf, die wie folgt zusammenzufassen ist: Entweder der absolut wahre Gott allein, oder sein behindertes, unverlässiiches und sündhaftes Geschöpf. Die protestantische Theologie entschied sich für das erstere. „Indem man sagte: »Gott allein«, leugnete man, dass Gott uns in ein Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Menschen oder zu einer kirchlichen Macht gegeben hat, um das Verhältnis zu Gott im Glauben oder als Bund zu ver­wirklichen. (...) Die Begründung dieses Verhältnisses durch das Gemeinschaftsgefüge der Kirche, das, wie die alte Kirche behauptete, eine öffentliche Ordnung des Glaubens, Kultes, und Heiles darstellte, wurde abgelehnt. Wenn es Gottes Absicht ist, den Glauben, den Kult und das Heil durch eine öffentliche göttliche Institution und in ihr mitzuteilen, versteht es von sich selbst, dass die kirchliche Lehrautorität und das priesterliche Amt zusammen mit der Autorität Gottes selbst und aus ihr heraus das Verhältnis zu Gott begründet. Im Gegensatz hierzu wurden die Reformatoren durch ihre Forderung dazu gebracht, dass sie alle Elemente des Verhältnisses zu Gott in das religiöse Subjekt, in die Person, in das Individuum verlegten (...)” Congar, Y., Die Tradition und die Traditionen, 175-176.

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