Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Erwägungen über die Strafe, mit besonderer Hinsicht auf die Todesstrafe - katholisch Betrachtet
66 GÉZA KUMINETZ Gesellschaft ist nicht so verrucht, die Kriminalität wird jedoch immer grösser und die öffentliche Sicherheit immer schlechter. Aus dieser Tatsache muss natürlich nicht die Folge gezogen werden, dass dieses Problem nur durch die Wiedereinführung der Todesstrafe zu lösen ist, weil die Strafe auch andere wirksame Arten hat, sie sollten deshalb viel strenger genommen werden. Man denke hier an die schweren wirtschaftlichen Verbrechen, deren Bestrafung die Vermögenseinziehung, der Ausschließung aus dem wirtschaftlichen und öffentlichen Leben als eine sicher und schnell wirkende Strafe gegen das Verbrechen gelten würde; oder das Ehre verlieren auf solche Weise, dass ein früher sich hohes Ansehens erfreuender Mensch öffentlich und dauernd zu physischer, öffentlicher Arbeit gezwungen wäre und seinen früheren Beruf, seine frühere Berufung nie mehr ausüben könnte. Diese Beschränkung würde eventuell auch seinen Nachkommen zuteil werden.85 Dieses Argument zeigt, dass wir durch unsere Tat den anderen Mitgliedern der Gesellschaft ein schlechtes Beispiel geben und sie zur Sünde verleiten, was die Untergrabung der friedlichen Ordnung der Gesellschaft bedeutet. Und das kann die Macht nicht dulden, sie möchte deshalb die anderen Bürger durch das Inaussichtstellen der Strafe und durch ihre rechtmäßige Auferlegung vom Begehen solcher Taten femzuhalten. 5) Der Gesichtspunkt des Selbstschutzes der Gesellschaft:86 Wenn einer das eigene Leben vor dem rechtswidrigen Angreifer schützen, und die entsprechende Mäßigkeit einhaltend, im äußersten Fall in Notwehr das Leben des Angreifers auslöschen darf, ist auch die Gesellschaft auf analoge Weise gezwungen, sich selbst zu schützen, das heißt sie will das Leben der Unschuldigen schützen. Heute messen die Verfasser diesem Argument große Bedeutung bei. Dieses Argument wurde auch vom Leiter der Abolitionisten, Cesare Beccaria angenommen. Dieses Argument zeigt, dass nicht jede Wegnahme des Menschenlebens Mord, das heißt rechts- und menschwidrig ist. So wie nicht jede Unwahrheitbehauptung eine Lüge ist, gilt ähnlich auch nicht jede Wegnahme des Menschenlebens als Mord, sie ist also frei von der (schwe85 Diese Strafart scheint dem Prinzip der persönlichen Verantwortung zu widersprechen, erinnert einen jedoch daran, dass unsere Taten schwere Folgen für die Gesellschaft haben können; unsere Verantwortung ist also auch bezüglich der Ehre der Nachkommen qualifiziert. Wer dessen bewusst ist, dass die negativen Folgen seiner Tat auch die Nachkommen erleiden werden, wird überlegen, ob er es auch mit ihnen böse meint. Bei dieser Strafe drückt sich also die Abschreckung oder Zurückhaltung von dem Begehen des Verbrechens beziehungsweise der Charakterzug aus, dass wir durch unsere Tat nicht nur dem Beleidigten sondern auch unserer unmittelbaren Umgebung und der ganzen Gesellschaft Schaden verursachen. Diese Strafart erzieht uns also auch zum Verantwortungsgefühl. 86 Selbst Thomas von Aquin hat das als wichtigstes Argument, das heiss die Todesstrafe hat sein Daseinsberechtigung in erster Linie wegen der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit. Vgl. Basler, X., Thomas von Aquin und die Begründung der Todesstrafe, in Divus Thomas. Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie III/8 (1931) 69-90, 172-202.