Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Mihály Kránitz, Die Wirkung von Papst Franziskus: Eine geistliche Erneuerung in der sich verändernden Welt
DIE WIRKUNG VON PAPST FRANZISKUS: EINE GEISTLICHE ERNEUERUNG... 33 bestimmenden Menschen sowie die Mangel an der familiären Beziehung mit der christlichen Kultur - mit den Erzählungen, Bildern und Ereignissen - ist der Säkularisation, der Migration und der Verbreitung des religiösen Pluralismus zu verdanken, was das früher eindeutige Wesen des katholischen Milieus in bedeutendem Masse geschwächt hat.36 Der Theologe wird nicht mehr auf natürliche Weise als Intellektuelle und Wissenschaftler anerkannt, so setzt er sich zwischen zwei Stühle. Einerseits redet er in einer säkularisierten Gesellschaft über den christlichen Glauben, andererseits legt er seinen Glauben in einer religiös pluralistischen Gesellschaft dar. Es verbreitet sich der Glaube in „etwas”, was eine Offenheit für eine nicht bestimmte Transzendenz ohne einen genauen philosophischen oder religiösen Hinweis bedeutet.37 V. Die Privatisation und die pluralistische Auffassung des Gottesglaubens Das Liberalismus sowie das demokratische und wirtschaftliche Kapitalismus hat nicht eine solche Welt geschaffen, in der ein jeder besser lebt. Ganz im Gegenteil, die häufigen politischen und wirtschaftlichen Krisen haben zahlreiche Opfer.38 Jean-François Lyotard (1924-1998) hat die Modernität einer kritischen Untersuchung unterworfen, einerseits bezüglich der Wahrheit und des Wissens andererseits bezüglich der Emanzipation und der Entwicklung. In der postmodemen Welt - bekennt Lyotard - haben die grossen Erzählungen (les grands récits) des Wissens und der Emanzipation ihre Gültigkeit verloren.39 Die Aufgabe der Theologie besteht demgegenüber darin, auf die neuen Herausforderungen und Provokationen hinzuweisen, beziehungsweise die Quellen der gottes- und glaubensfeindlichen geistigen Richtungen zu bestimmen. Der Zweck der Theologie stammt jedoch nicht von sich selbst. Darauf 36 Vgl. Boeve, L., La théologie aux marges et aux carrefours, 389-390. Nach Boeve ist Belgien zu einer postchristlichen Gesellschaft geworden, die jedoch nicht unreligiös oder atheistisch ist. Ein Drittel der Gesellschaft gehört zu keiner religiösen Gemeinschaft, trotzdem nennt sie sich nicht atheistisch, aber sie zeigt eine grosse Sensibilität für die geistigen und übernatürlichen Fragen. Der postchristliche Zustand ist zur gleichen Zeit auch postsäkular. Vgl. Voyé, K.- Dobbelaere, K.-Billiet, J., „ Une église marginalisée?", in Autre temps, autres moeurs: travail, famile, éthique, religion et politique: la vision des Belges (red. Voyé, K.-Dobbelaere, K.- Abts, K.), Tielt 2012. 156. 37 Boeve, L., La théologie aux marges et aux carrefours, 395. 38 Boeve, L., La théologie aux marges et aux carrefours, 400. Vgl. Ioannes Paulus II, Centesimus annus 33 (1991): „Trotz der großen Veränderungen, die in den fortgeschrittenen Gesellschaften stattgefunden haben, ist das menschliche Defizit des Kapitalismus mit der daraus sich ergebenden Herrschaft der Dinge über die Menschen keineswegs überwunden.” Vgl. http://www.vatican.va/holy_father/john_paulji/encyclicals/documents/hfjp-ii_enc_01051991_ centesimus-annus_ge.html (Zeitpunkt der Forschung: 14. Januar 2014). 39 Davon siehe: Lyotard, J.-F., La condition postmoderne: rapport sur le savoir, Paris 1979.