Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams

DIE TUGEND DES GEHORSAMS ALS GRUNDLAGE DES KLERISCHEN... 59 in sich genommen nicht giftig ist. Der Betreffende hat das Recht, seinem Ge­wissen zu folgen, weil das Fleischessen keine naturrechtliche Pflicht ist, er hat jedoch nicht die Rechtsgrundlage, das auch den anderen zu verbieten. Die Lage ist komplizierter in dem Falle, wenn die Menschen, sich auf die Gewissensfreiheit beziehend, etwas tun, was das Allgemeingut in Gefahr bringt beziehungsweise die Rechte von den anderen verkürzen kann. Unsere Antwort darauf lautet so, dass das Allgemeingut wichtiger ist als die Privatinteressen, während die Ausübung der persönlichen Rechte der Achtung der Rechte von anderen eine Grenze setzt. Und falls eine positive rechtliche Vorschrift gegen eine naturrechtliche Norm verstoßt, genießt die naturrechtliche Vorschrift den Vorteil. Die Ausübung der Rechte können in der Kirche durch das communio non plena, durch die auferlegten Strafen, das Allgemeingut und schließlich durch die Rechte von anderen beschränkt werden. Die weltliche Behörde muss also sowohl über die Sicherung der Gewissens­freiheit des Individuums als auch über die Durchsetzung der Vorschriften des Naturgesetzes wachen. Ihre Autorität bleibt ausschließlich solange unversehrt, bis sie dieser zweifachen Forderung zu entsprechen wünscht. Die weltliche Be­hörde hat jedoch das Recht, die falschen Handlungen der Personen zu beschrän­ken oder zu verhindern, wenn sie für die anderen bei der Durchsetzung ihrer Rechte schädlich sind. Dieses Prinzip gilt auch, falls jemand ein schuldlos ir­rendes Gewissen hat, denn er wurde z. B. falsch erzogen, er geriet in eine schlechte Umgebung, er nahm solche schädlichen Gewohnheiten auf sich, die kaum mehr zu verändern sind, oder wenn er ein ausgebranntes und verhängnis­voll erblindetes beziehungsweise verblendetes Gewissen hat. Gegenüber dem sogenannten Naturrecht kann sich auch niemand auf die Gewissensfreiheit be­rufen.122 Ähnlicher weise verhalten sich auch die sogenannten invalidierenden und die Strafgesetze, falls der Gesetzgeber nicht anders verordnet. Das Gewissen, als Verkörper der menschlichen Freiheit, ist nicht auf eine absolute Weise frei, weil er sich nicht schuldlos und unbestraft vom Gesetz, ge­nauer gesagt vom moralisch guten Gesetz lostrennen kann; wenn es so tun wür­de, wäre das Willkür beziehungsweise eine der richtigen Benutzung der Freiheit entgegengesetzte Tat.123 Aus dieser Einsicht ergibt sich, dass man sich auf die Gewissensfreiheit nur bis dahin berufen kann, solange einer sich bezüglich des Gegenstandswertes seiner Gewissensurteile in schuldlosem Unwissen oder Irrtum befindet. Falls „der Mensch den falschen Urteilen seines Gewissens 122 Vgl. Tarjányi, Z., Az erkölcsteológia története és alapfogalmai (Morálteológia I) [Geschichte und Grundbegriffe der Moraltheologie. Moraltheologie I], Budapest 2005. 122-123. 123 Es gehört zum Wesen des Menschen, dass er die erkannte Weisheit annimmt und auf ihr besteht. „Die physische Freiheit des Gedankens ist zwar im Menschen vorhanden, aber gegenüber dem Wahren hat er keine moralische Freiheit“. Vgl. Acsay, A., A lelkiismereti szabadság, in Hit- tudományi Folyóirat 7 [Die Gewissensfreiheit, in Zeitschrift für Theologie 7] (1896) 466.

Next

/
Oldalképek
Tartalom