Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams

58 GÉZA KUMINETZ moralischen Freiheit, im selbstständig und verantwortungsvoll geführten Le­ben“.119 Wenn es schon mal ein Naturgesetz ist, der Stimme des Gewissens zu fol­gen, sogar im Falle, wenn es unüberwindlich falsch ist, kann dann daraus leicht erschlossen werden, dass niemand zu einem Tat gezwungen werden darf, was der Stimme seines Gewissens entgegengesetzt ist. Das heißt ein jeder hat das Recht (aber auch die Pflicht!), der Stimme des Gewissens zu folgen, und das von der Gesellschaft geachtet sowie geschützt werden soll. Auch diese Formu­lierung zeigt schon, dass die Gewissensfreiheit nicht bloß eine Freiheitsrecht ist, sondern zur gleichen Zeit auch eine Verpflichtung enthält, und zwar das, dass ein jeder seiner Überzeugung folgen soll, was ein Ergebnis von bewusster Überlegung und Entscheidung ist (auch die Frucht unseres Wollens beziehungs­weise Könnens, die Vorurteile und Irrtümer von uns loszuwerden). Diese Über­zeugung ist - abhängig von der Zeit - natürlich eine sich entwickelnde oder verändernde Wirklichkeit, weil sie sich ändern kann und unter der Last der Ar­gumente und Erfahrungen ändern muss, in günstigem Falle sogar entwickeln soll. Was für ein anderes Kriterium kann die Entwicklung schon haben, als das, dass es eine einzige Wahrheit gibt, und ihr nähert sich das Bewusstsein, der Verstand und der nach der Überzeugung strebende Mensch immer mehr. Die Gewissensfreiheit kann also aufgefasst werden, dass sie eine unbedingte Ge­horsamsverpflichtung ist, der Stimme des Gewissens zu folgen. Man kann diese sichere und unfehlbare Stimme jedoch nur durch einen langen Erziehungs- und Selbsterziehungsprozess erreichen. Dabei muss die Gesellschaft, besonders die religiöse Gesellschaft die Person erziehen und ihr die Umgebung sichern, in der die Person die Kenntnis und Liebe des einzigen wahren Ideals wirklich er­reicht. Die obigen waren Überlegungen aus dem Standpunkt der Person. Jetzt sehen wir uns die Situation an, wenn aufeinander Auffassungen von mehreren und entgegengesetzten Meinungen vertretenden Personen eine Wirkung ausüben. Auf welche Weise ist dieser Auffassungskonflikt zu lösen? Ein diesbezügliches allgemeines Prinzip kann aus der Hierarchie der Natur von Pflichten und Rech­ten genommen werden. Daraus ergibt sich, dass die stärkeren und sicheren Rechte gegenüber den schwächeren und weniger sicheren durchsetzen.120 * So­lange wir uns auf dem Gebiet der Privatsphäre befinden, können wir uns verhält­nismäßig leicht orientieren. Falls jemand zum Beispiel die Überzeugung hat, dass Fleischessen schädlich sei, und er infolge dieser Einsicht Vegetarier wird, kann er anderen verbieten, Fleisch zu essen? Wir nehmen an, dass Fleischessen 119 Vgl. Kecskés, P., A keresztény társadalomelmélet alapelvei, 107. 120 Vgl. Varga, A., Az erkölcsi élet alapjai [Grundlagen des moralischen Lebens], in Alszeghy, Z.- Nagy, F. - Szabó, F. - Weissmahr, B. (Hrsg.), Teológiai vázlatok [Theologische Grundrisse], II. Budapest 1983. 275.

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