Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams
DIE TUGEND DES GEHORSAMS ALS GRUNDLAGE DES KLERISCHEN... 25 der Wünsche unserer Lieben, eine Bitte des Freundes, die Standespflicht und der Wille der Mehrheit. All diese anspornenden Faktoren können unterdrückt, aber auch belebt und verstärkt werden. Hier befindet sich die Verbindung zwischen dem Gehorsam und der Klugheit. Der wahre Gehorsam besteht jedoch nicht bloß in der äußerlichen und sonst gutgemeinten Erfüllung des Befehls (obwohl das gegeben falls auch eine heldenhafte Tat sein kann!), sondern auch in einem inneren Vorbeugen.15 Mit was für einer Gesinnung der Vorgesetzte den Befehl erließ, müssen wir auch mit solcher Gesinnung Vorgehen, und die Jüngerschaft besteht eben darin: man muss dem Meister die Mentalität abgucken, seine Gedanken, Gefühle und Absichten erraten. Nur auf diese Weise können wir ihm ähnlich sein. Diese Ähnlichkeit wird jedoch durch unser Temperament, unsere Laune und durch andere psychischen Faktoren von uns sowieso nuanciert. Aber warum hat man den gesetzlichen Vorgesetzten Gehorsam zu leisten? Weil sie auf ihrer Stelle als Gottes Stellvertreter stehen, und wir verpflichtet sind, ihre gesetzmäßigen und ab und zu sogar harten Befehle gewissenhaft zu erfüllen, denn wir müssen in ihnen die Obrigkeit ehren. Die wirklich große Zerreißprobe des Gehorsams findet in dem Falle statt, wenn wir die Vernünftigkeit des Befehls nicht einsehen können, oder eine bessere Idee haben; oder wenn wir den sonst gesetzlichen Besitzer der Autorität nicht als glaubwürdig betrachten. Dabei kann uns das Einsehen behilflich sein, dass die Wahrheit nicht nur das sein kann, was wir einsehen, es kann auch Vorkommen, dass der Vorgesetzte etwas besser sieht als wir. Das heisst, nicht alle Vorgesetzten können charismatische Fähigkeiten haben, aber deswegen darf ihre Legitimität nicht nachgelassen werden. In solchen Fällen müssen wir uns nur darüber Gewissheit verschaffen, ob der gesetzliche Vorgesetzte Befehle erteilt, seinen Wirkungskreis nicht überschreitet, und ob er nicht eine offensichtlich sündige Sache verlangt. Denn da muss man Gott mehr gehorchen als dem Menschen.16 Um Gottes Willen machen zu können, müssen wir über eine nüchterne, klare Denkweise und eine außerordentlich große Willenskraft sowie Selbstdisziplin verfügen; nur so wird der befehlende Willen nicht fremd sein, und ausschließ15 Vgl. Royo Marin, A., Teológia dellaperfezione cristiana, Cinisello Balsamo 1997. 687. 16 Das Motiv des Gehorsams kann äusserst viele Facetten haben: „kann aus 1. dem Durchschauen der Richtigkeit des Handelns (ich selbst würde auch so tun), 2. aus Liebe zu der Person des Gebieters (ihm zuliebe mache ich das), 3. aus Dankbarkeit (denn der Gebieter war gut zu mir), 4. aus Pflichtgefühl (das ist meine Einstellung), 5. aus Leicht-Beeinflussbarkeit (ich kann dem Gebieter nicht widerstehen), 6. aus innerer Schwäche (ich habe keine eigene Vorstellung), 7. aus Gewohnheit (immer habe ich so getan), 8. um die anderen zu beirren (damit man mich für besser hält, als ich eigentlich bin), 9. um das Verlangen nach Macht zu verhüllen (ein spezieller Fall des vorigen), vielleicht gerade aus Bosheit (denn ich weiss, dass die Durchführung des Befehls jemendem schadet) stammen usw.“ Vgl. Borbély, K., A keresztény életalakítás elmélete, 154.