Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
IUS CANONICUM - Joseph Gehr, Die Förderung der affektiven Reife in der Seminarausbildung. Eine unerlässliche Voraussetzung zur Vorbereitung auf das zölibatäre Leben des Priesters
244 JOSEPH GEHR ten widerspricht64. Der verantwortungsvolle Umgang mit sozialen Kommunikationsmitteln erscheint in diesem Zusammenhang unerlässlich, da doch gerade sie, wie bereits erwähnt, eine wesentliche Quelle der sexualisierten Kultur in unseren Gesellschaften sind. Schließlich darf in diesem Zusammenhang der Beitrag der theologischen und wissenschaftlichen Ausbildung zum Gelingen des zölibatären priesterlichen Lebens nicht unerwähnt bleiben. Sie ist mit der menschlichen und geistlichen Formung eng verbunden und stellt eine notwendige Ausdrucksform dieser Dimensionen dar65. Insofern spielt sie auch in der Erziehung zur affektiven Reife eine wesentliche Rolle. Indem sie theologischen Relativismus vermeidet und die gesunde kirchliche Lehre darlegt, trägt sie in fruchtbarer Weise zur Ausbildung einer stabilen priesterlichen Persönlichkeit und mit dieser zur rational begründeten Formung des Gefühlslebens bei66. Das Erwecken falscher Erwartungen im Hinblick auf die Freistellung von der kanonischen Verpflichtung zum priesterlichen ehelosen Leben, wie dies etwa in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Fall war, ist sicher fatal und verantwortungslos67. Aufgabe der Christologie wird es sein, die Außergewöhnlichkeit der Menschheit Jesu Christi ans Licht zu bringen und das Ideal, ihm auch im Hinblick auf seine Ehelosigkeit durch die Priesterweihe gleichgestaltet zu werden, vor Augen zu stellen. Darüber hinaus wird eine katholische Ekklesiologie den Priester nicht zum Funktionär verkommen lassen, sondern seinen dem Mysterium dienenden und für das kirchliche Leben unverzichtbaren Dienst anerkennen und ihn von jenem der nichtgeweihten Gläubigen klar unterscheiden. Priesterliche Berufungen können ohne angemessene Gründe den gewaltigen und dauerhaften Gegensatz zur Welt nicht aushalten68 69. Schluss Die Förderung der affektiven Reife ist ein fundamentales und aktuelles Thema, das „heute mehr als früher besonderer Aufmerksamkeit bedarf169. Es ist angesichts der gesellschaftlichen Situation auch ein unumgängliches Thema, dessen 64 Vgl. Dal Covolo, E., La dimensione umana come fondamento della formazione sacerdotale nel magistero di Giovanni Paolo II, in Seminarium 4 (2006) 789-798, hier 797. 65 Vgl. Johannes Paul II, Pastores, Nr. 51,92. 66 Vgl. Piacenza, M., La formazione affettiva al sacro celibato, 32. 67 Vgl. Jerumanis, A.-M., Kann die Pflicht zur vollkommenen Enthaltsamkeit sexuelle und affektive Verirrungen und außerdem Untreue, Skandale und schmerzliche Fälle von Abtrünnigkeit hervorrufen, die der ganzen Kirche schaden?, in Cattaneo, A. (Hrsg.), Verheiratete Priester?, 66-67, hier 67. 68 Vgl. Piacenza, M., La formazione affettiva al sacro celibato, 28. 69 Kongregation Bildungswesen, Psychologie, Nr. 2,6, Anm. 12. Vgl. auch Jerumanis, Pflicht, 66.