Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams

DIE TUGEND DES GEHORSAMS ALS GRUNDLAGE DES KLERISCHEN... 21 möglich, doch dazu müssen auf paradoxe Weise eher die Subjekte, Träger der Autorität auf eine besondere Art und Weise von gehorsamer Gesinnung wer­den, damit sie sich an den Buchstaben und Geist des Gesetzes anschmieden können, austastend in ihnen den im gegebenen Falle erwünschenswerten Be­fehl. Ohne diesen Charakterzug ist sowohl die Gesetzgebung als auch die Ge­richtsbarkeit und die Verwaltung sinnlos. Ohne diesen Zug wird das Recht aber auch die Moral und der Anstand zum brutalen Mittel der Laune, Willkür und der groben Interessendurchsetzung sein. Falls sich der Geist oder die Gesinnung des Befehlens verschlechtert, wird das im Gebieter einen tyrannischen Willen, beim Untergebenen jedoch den Geist des Aufruhrs, aber mindestens den des passiven Widerstandes und der Knechtseligkeit schaffen. Letzen Endes entfrem­det sich der Mensch seiner eigenen Natur, und er wird die wahre menschliche Würde nicht mehr kennenlernen. In dieser Studie versuchen wir das Wesen des gehorsamen Grundverhaltens des Menschen zu skizzieren, und wir bezeichnen die verwandten Tugenden be­ziehungsweise ihre Beziehung mit den anderen Tugenden. Wir beweisen, dass ein wahrer Gehorsam nur dort existiert, wo die Autorität wahrhaftig ist. Ein an­deres Ziel unserer Studie ist es, einen Nachweis zu liefern, dass die Tugend des Gehorsams die Grundlage für den kirchlichen Gehorsam der Christgläubigen, auf spezifische Weise für den kanonischen und mönchlichen Gehorsam der Kleriker und Mönche bildet. Ohne den erforderlichen Gehorsam kann sowohl der Vorgesetzte als auch der Untergebene Fehler (Sünde oder Verbrechen) be­gehen, die die Wirksamkeit der Kirchenverwaltung schwieriger macht, und da­mit gefährden sie das kirchliche Allgemeingut und das Heil der Seelen. I. Die Tugend des Gehorsams und seine Stelle unter den Tugenden Der Gehorsam steht mit der Kategorie der Autorität in enger Verbindung, weil der Mensch ein Gesellschaftswesen ist, und der Frieden und die Ordnung der Gesellschaft eine Leitung verlangt. Das ist einer der polarischen Gegensätze, die das menschliche Leben durchdringen.7 Infolgedessen hat der Verkörper der 7 Die menschliche Gemeinschaft ist also von ihrer Natur her strukturiert. Und zwar so, wie das Antal Schütz so treffend beschrieb: „Nach dem heiligen Augustinus baut Gott die Ordnung und das Leben des die Geschichte lebenden Menschen als ein herrliches Gedicht mit grosser Kunst sozusagen aus Gegensätzen auf: Deus ordinem saeculorum tamquam pulcherrimum carmen ex quibusdam quasi antithesis honestavit (Civ. Dei XI 18). Er denkt hier an die Gegensätze wie Mann und Frau, ältere und jüngere Generation, Herrscher und Untertanen, Gemeinschaft und Einzelne - auf dieser Ebene befindet sich auch der Gegensatz von Menge und Elite. Die der ge­schichtlichen und gesellschaftlichen Harmonie dienenden Gegensätze sind im allgemeinen po­lar: in jedem von ihnen ist das Ganze anwesend, aber mit einer spezifischen Akzentuierung; nur die Gegenseitigkeit und der Kraftspiel der beiden sichern den Reichtum und zugleich die Ein­heit des Ganzen, und wenn sie lebendig sind, ihre Gesundheit und Fruchtbarkeit. Jeder gesunde

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