Folia Canonica 11. (2008)

STUDIES - Géza Kuminetz: Das Wesen und die Bestimmung der Autorität und der Machtz katholisch betrachtet

DAS WESEN UND DIE BESTIMMUNG DER AUTORITÄT 163 Die zwei Mächte, das heisst die religiöse und die weltliche Macht, haben sich mit der Zeit getrennt. Der Grund dafür ist schwer zu sagen. Der Staat bemühte sich um die Verwirklichung des irdischen Gutes, die Religion aber um die Leitung der Seelen zu Gott beziehungsweise um Gottes Anerkennung und Ehre in der Gesellschaft. Diese letztere, das heisst der Leiter der Religion kon­nte seine Ermächtigung von der Gesellschaft selbst bekommen, und so in sei­nem Namen und im Namen seiner Untergeordneten näherte er sich Gott, aber er konnte seinen Auftrag auch unmittelbar von Gott erhalten. In der Kraft dieses Auftrages übte Melchisedek seinen priesterlichen Dienst aus. Und diese Art von Priestertum nennen wir ein hierarchisches Priestertum, denn hier kommt der priesterliche Auftrag von Gott selbst. Hier wählt nicht das Volk sondern Gott selbst seinen Priester aus. Obwohl der Priester aus dem Volk ge­nommen wird, macht ihn jedoch nicht das Volk zum Priester, sondern er folgt unmittelbar dem Ruf und der Sendung Gottes. Die menschliche Gemeinschaft ist also von ihrer Natur her strukturiert. Und zwar so, wie das Antal Schütz so treffend beschrieb: „Nach dem heiligen Augustinus baut Gott die Ordnung und das Leben des die Geschichte lebenden Menschen als ein herrliches Gedicht mit grosser Kunst sozusagen aus Ge­gensätzen auf: Deus ordinem saeculorum tamquam pulcherrimum carmen ex quibusdam quasi antithesis honestavit (Civ Dei XI 18). Er denkt hier an Gegensätze wie Mann und Frau, ältere und jüngere Generation, Herrscher und Untertanen, Gemeinschaft und Einzelne — auf dieser Ebene befindet sich auch der Gegensatz von Menge und Elite. Die der geschichtlichen und gesellschaft­lichen Harmonie dienenden Gegensätze sind im allgemeinen polare Gegen­sätze: in jedem von ihnen ist das Ganze anwesend, aber mit einer spezifischen Akzentuierung; nur die Gegenseitigkeit und der Kraftspiel der beiden sichern den Reichtum und zugleich die Einheit des Ganzen, und wenn sie lebendig sind, ihre Gesundheit und Fruchtbarkeit. Jeder gesunde Lebensprozess ist eigentlich eine Ellipse, die auf polaren Gegensätzen als Brennpunkten konst­ruiert ist. Solange die zwei Gegensätze in ihrem eigenen Brennpunktkreis bleiben, ist die Lebensströmung normal; wenn sie aus diesem Kreise ausbre­chen, fängt das Problem an; und wenn sie den Gegenpol durchbricht und ihn zu verschlingen versucht, erscheint die Krise”.10 Aus dieser Analyse geht her­vor, dasss die Autorität und die Macht ihre unentbehrliche Rolle haben, und die eigentliche Aufgabe ist es, ihre Kanäle, das Durchbrechen ihrer Wirkungen zu sichern und ihre religiöse, moralische und rechtliche Reinheit zu hüten. Die Menschen „können nämlich nicht ohne die Macht und ohne die sich daraus ergebende Autorität geleitet werden, besonders nicht gegen ihre Leidenschaften und schlechte Neigungen, im Gegenwind”.11 Diese Auffassung 10 Vgl. Schütz, A., A teológus szemével. Tömeg és elit [Aus dem Gesichtspunkt eines Theologen, Masse und Elite], in Id., Őrség, Budapest 1936, 216. 11 Vgl. MolnAr T., Az Egyház évszázadok zarándoka [Die Kirche als Pilger von Jahrhunder­ten], Budapest 1997, 8.

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