Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Peter Landau: Seelsorge in den Kanonessammlungen von der Zeit der gregorianischen Reform bis zu Gratian

SEELSORGE IN DEN KANONESSAMMLUNGEN 73 möglich hielt, den griechischen Konzilsvätem des Konzils von Nicäa einen Text unterzuschieben, in denen sie mit einer lateinischen Übersetzung des Worts Mo­nachus wie vor einem des Griechischen unkundigen römischen Auditorium ar­gumentierten. Die etymologische Argumentation macht das Besondere dieser Nicäa-Fälschung aus. In ähnlicher Weise etymologisch wird in einer zweiten Fälschung vorgegan­gen, die als Konzil unter Papst Eugenius, offenbar Eugen II. (824-827), in den Kanonessammlungen überliefert wird.102 Hier wird noch umfassender als in dem Nicäa-Kanon den Mönchen j edes Recht zur Spendung der Busse, zur Taufe, zum Krankenbesuch und zum Begräbnis verweigert.103 Ein Mönch darf nach diesem Text überhaupt nicht das Kloster verlassen und als Weltpriester eine Kir­che betreuen. Ausserhalb des Klosters könne er so wenig wie ein Fisch ohne Wasser leben.104 Die Begründung ist wiederum rein etymologisch - das griechi­sche Wort monachus sei im Lateinischen mit ,unus tristis1 wiederzugeben. Ein Mönch müsse ein solitäres Leben führen -,sedeat tristis1 -, um für seine genui­nen Aufgaben in der monastischen Lebensform einen Freiraum zu haben.105 Die beiden hier inhaltlich wiedergegebenen Texte stimmen in der aus­schliesslich etymologischen Argumentation überein. Sie könnten daher im sel­ben Milieu als sich ergänzende Fälschungen entstanden sein. Beide Fälschungen stehen aber in ihrer Argumentation auch in engem Bezug zu den bereits behan­delten Dekreten von Pseudo-Bonifatius und Pseudo-Gregor. Pseudo-Bonifatius argumentiert ebenfalls etymologisch, indem er das griechische Angelus mit ,nuntius1 übersetzt. Pseudo-Gregorius beruft sich für die umfassenden Rechte der Mönche auf das Konzil von Nicäa ohne nähere Angaben.106 Aus diesem Sachverhalt schloss Heinrich Böhmer 1902, dass die Verfasser der falschen Bo- nifatius- und Gregortexte die Nicäa-Fälschung gekannt haben müssten und ihre eigenen Fälschungen als Antwort darauf fabrizierten, um den Nicäa-Kanon ,zu entkräften’.107Hieronymus Frankerwogjedoch 1937, ob das Abhängigkeitsver­U2C.16, q.l., C.8. 103 Text nach Gratian loc. cit: „Placuit communi nostro concilio,ut nullus monachorum pro lucro terreno de monasterio exire nefandissimo ausu présumât, neque penitenciam dare, ne­que filium de baptismo accipere, neque baptizare, neque infirmum visitare, neque mortuum sepelire, neque ad ecclesiam transire secularem, neque qualibuscumque negociis sese impli­care ...” 104 Gratian loc. cit.: „... sit claustro suo contentus, quia sicut piscis sine aqua caret vita, ita sine monasterio monachus.” 105 Gratian loc. cit.: „Sedeat itaque solitarius, et taceat, quia mundo mortuus est, Deo autem vivit. Agnoscat nomen suum, monos enim grece, latine unus: achos grece, latine tristis. Unde dicitur monachus, id est unus tristis. Sedeat igitur tristis, et offitio suo vacet.” 106 Cf. oben n. 60. 107 Böhmer, Die Fälschungen (Fn. 53), 72.

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