Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Peter Landau: Seelsorge in den Kanonessammlungen von der Zeit der gregorianischen Reform bis zu Gratian

68 PETER LANDAU in Italien nachweisen.67 Man wird es nach den Forschungen Gilchrists für wahr­scheinlich halten müssen, dass diese Texte zwischen Loire und Rhein entstan­den - er denkt sogar an Lüttich als Ursprungsort68 - allerdings frühzeitig in Ita­lien zumindest Petrus Damiani bekannt wurden. Für die kanonistische Verbreitung der beiden mönchsfreundlichen Fälschun­gen kann ich mich auf die ausführliche Untersuchung Gilchrists stützen, der die Texte als Nachträge zu Kanonessammlungen oder auch als integrierte Kapitel in einer Kanonessammlung gegen Ende des 11. Jahrhunderts und im 12. Jahrhun­dert mehrfach nachweisen konnte.69 Der Pseudo-Bonifatiustext ,Sunt nonnulli fulti* begegnet allerdings ungleich häufiger als der Pseudo-Gregor-Text, wobei Pseudo-Bonifatius in zwei Varianten - Typ A und Typ B - überliefert wird.70 Es können hier nicht Gilchrists minutiöse Untersuchungen wiederholt werden. Je­doch sei auf folgendes hingewiesen. Der Pseudo-Bonifatius-Text ist in vielen Kanonessammlungen nach 1085 zunächst als Appendix zu finden. Das gilt für mehrere Manuskripte der Samm­lung des Burchard von Worms,71 so u.a. in dem Codex Paris Bibi, nat.3860 aus St. Aubin d* Angers, der vom Ende des 11. Jahrhunderts stammt.72 In französi­schen Kanonessammlungen taucht der Pseudo-Bonifaz-Text zuerst um 1085 in zwei Sammlungen auf: in der ersten Rezension der Collectio Tarraconensis73 67 Cf. Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 276 und 282 mit n.96. Die Handschrift ist m.s. Tu­rin Biblioteca dell’Accadentia 0186 (Sigle I 3 bei Gilchrist). Gilchrist betont 283, dass JE+1951 (Sigle P-G bei Gilchrist) in Italien fast unbekannt blieb. 68 GILCHRIST, The Influence {Fn. 66), 284 u. 105: ’Luttich is a serious candidate as the home of the forgeries’. 69 Cf. Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 279-281. 70 Cf Gilchrist, The Influence (Fn. 66), Pseudo-Gregorius fehlt z.B. in den Sammlungen des Ivo von Chartres und in den erweiterten Fassungen der Sammlung des Anselm von Lucca. Die Unterscheidung der Fassungen A und B bei JE+1996 geht auf Böhmer, Die Fälschungen (Fn. 53), 67 zurück. Die Fassung B beginnt ‘Suntnon nulli stulti dogmatis’. Eine Edition von TextB bei G. CONSTABLE, The Treatise ‘Hortatur nos ’ (Fn. 58), 574s. 71 Cf GILCHRIST, The Influence (Fn. 66), 280. 72 Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 273 (Sigle P2). Auf dieser Handschrift beruht der in die Konziliensammlungen seit Philippe Labbé-Gabriel Cossart 1671 eingedrungene Irr­tum, dass es sich bei JE+1996 und JE+1951 in Wahrheit um zwei Kanones des Konzils von Nîmes 1096 handle (c.2-3). Dass die beiden Fälschungen weder ursprünglich Konzilscano- nes von Nîmes waren, noch von diesem Konzil bestätigt wurden, hatte bereits im 17. Jahrhun­dert Etienne Baluze erkannt. Zu diesem komplizierten Sachverhalt cf. S. Kuttner - R. SOMERVILLE, The So-called Canons of Nîmes in Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 38 (1970) 175-189; auch in S. Kuttner, Medieval Councils, Decretals and Collections of Ca­non Law, 2a ed. Ashgate 1992, no. III. 73 Cf. P. Fournier, le liber Tarraconensis, Mélanges J. Havet (Paris 1895) 259-281, hier 279. Ausserdem cf. Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 281. Zur Collectio Tarraconensis allgemein cf. L. Kéry, Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140) Wa­shington 1999, 214s.

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