Folia Canonica 6. (2003)
STUDIES - Rita Ferenczy - Szabolcs Anzelm Szuromi: Die kirchliche Ehe als staatlich anerkannter Ehebund? - Kritische Bemerkungen aus rechtgeschichtlicher, zivil- und kirchenrechtlicher Sicht
FOLIA CANONICA 6 (2003) 101-111. RITA FERENCZY - SZABOLCS ANZELM SZUROMI DIE KIRCHLICHE EHE ALS STAATLICH ANERKANNTER EHEBUND? Kritische Bemerkungen aus rechtgeschichtlicher, zivil- und kirchenrechtlicher Sicht Die Ehe ist ein grundlegendes Rechtsinstitut der zivilen Gesellschaft, dessen staatliche Regelung erst in neuester Zeit erfolgt ist. Bis heute gibt es Länder, in denen die Regelung dieses Gebiets innerhalb des sakralen Rechtes geblieben ist. 1. Seit dem Entstehen des Rechts verbinden sich mit der Eheschließung religiöse Handlungen. Das Zustandekommen des Ehebundes war immer vor allem ein Familienereignis, das, der sakralen Rechtinstitution des Staates entsprechend, auf der Grundlage der im gegebenen Volke angewurzelten Formen, mit religiösen Aktivitäten verbunden war, wobei die vom Staate anerkannte Ehebeziehung zustande kam. Das gilt auch für die christlichen Eheschließungen1, die von Anfang an das Herrenwort geprägt hat: “Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“2. Die christliche Ehe kam innerhalb der christlichen Gemeinschaft zustande; aber das wie wurde nicht festgelegt, abgesehen von der Notwendigkeit der Äußerung der beiderseitigen Zustimmung zur Ehe. Äußerlich hat die Kirche von der konstantinischen Zeit an aus dem römischen Recht einige strukturelle Regeln über die Eheschließung übernommen3. Die einheitliche Formregelung der Eheschließung fehlte bis zum XVI. Jh, obwohl es im XIE Jh. dank der Tätigkeit der Schule von Bologna und des Papstes Alexander III. (1159-1181) eine Vereinheitlichung der Meinungen im Bereiche des Zustandekommens der Ehe (cf. Consensus-Theorie) gab4. Der Konzil von Trient bedeutete eine radikale Änderung im katholischen Eherecht, weil es am 11. November 1563 mit dem Dekret Tametsi die Eheschließungform für obligatorisch erklärte5. 1 Über die Entwicklungsprozess der kirchlichen Eheschließung P. Erdő, Le espressioni canoniche dei matrimonio nella storia in Folia Canonica 2 ( 1999) 31-51. 2 Über das Konzept der Ehe im NT vgl. H. Baltensweiler, II matrimonio nel Nuovo Testamento, Brescia 1981. 3J. GAUDEMET, Droit romain et principes canoniques en matière de mariage au Bas-Empire in Studi E. Albertario II, Milano 1950, 173-196. 4Vgl. Ch. Donahue, The Policy of Alexander the Third’s Consent Theory of Marriage, in S. KUTTNER (ed.), Proceedings of the Fourth International Congress of Medieval Canon Law in Monumenta iuris canonici C/5, Città del Vaticano 1976, 251—281. 5 J. Alberigo - J. A. Dossetti - P-P. Joannou- C. Leonardi - P. Prodi (ed.), Conciliorum oecumenicorum decreta, consulente H. Jedin, Bologna 31973, 755-759. Caput I. “Ta-