Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 193 aa) Gemäß c. 38 CIC ist ein Verwaltungsakt, der einem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht widerspricht, rechtlich unwirksam, es sei denn, dieser enthält eine ausdrückliche Abänderungsklausel. Umstritten ist, ob für die Hinzufugung dieser Abänderungsklausel ausfuhrende Gewalt ausreichendoder zusätzlich auch Gesetzgebungsgewalt erforderlich ist.76 Ausführende Gewalt alleine kann wegen des Grundsatzes der „Rechtmäßigkeit” (besser wohl: Gesetzesbindung) der Verwaltung hierfür nicht ausreichend sein.77 Daher ist im Grundsatz der zuletzt genannten Auffassung zu folgen. Diese ist jedoch dahingehend zu konkretisieren, daß entscheidend ist, ob derjenige, der die Klausel hinzufügt, über das Gesetz, von dem abgewichen werden soll, disponieren kann.78 Deswegen können z. B. Organe unterhalb des Diözesanbischofs eine derartige Abänderungsklausel nur beifügen, wenn sie hierzu entweder von Rechts wegen befugt oder besonders ermächtigt sind.79 Materielle Voraussetzung für die Beifügung dieser Klausel ist ein gerechter und vernünftiger Grund.80 Im Vordergrund muß auch hier stehen, daß der Ver­waltungsakt für die Gläubigen wirklich von Nutzen ist (c. 473 § 1 CIC), also dem Seelenheil bzw. der Sendung der Kirche dient. bb) Gemäß c. 49 CIC kann einem Gläubigen durch Verwaltungsbefehl ein Tun oder Unterlassen auferlegt werden. Trotz des letzten Halbsatzes („vor allem um die Beachtung des Gesetzes einzuschärfen”) können durch einen Verwal­tungsbefehl auch neue Pflichten begründet werden.81 In diesem Verwaltungsbe­fehl können - wie sich aus c. 1321 CIC ergibt- für den Fall der Zuwiderhandlung Strafen angedroht werden (Strafgebot). Eine vergleichbare Vorschrift wäre im Recht der Bundesrepublik Deutsch­land undenkbar. Eine so weitgehende Ermächtigung an die Verwaltung, Pflich­ten für den Einzelnen zu begründen, scheidet wegen des Grundsatzes des Vorbe­halts des Gesetzes aus. Dieser verbietet es nämlich, die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit in das Ermessen der Verwaltung zu stellen.82 Daher müssen Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten im Gesetz nach Inhalt, Ge­genstand, Zweck und Ausmaß so genau beschrieben sein, daß behördliche Ent­scheidungen voraussehbar sind.83 Diesen Voraussetzungen würde c. 49 CIC nicht genügen. 76 vgl. MK-Socha (Fn. 45), c. 38 Rn. 14. 77 Aymans I (Fn. 28), S. 231. 78 Aymans I (Fn. 28), S. 231, ebenso MK-Socha (Fn. 45), c. 38 Rn. 15. 79 MK-Socha (Fn. 45) c. 38, Rn. 15. 80 T. Amann, Der Verwaltungsakt für Einzelfälle, St. Ottilien 1997, S. 17. 81 vgl. MK-Socha (Fn. 45), c. 49 Rn. 6. 82 BVerfGE 8,274 (325); 78, 214 (226). 83 BVerfGE 78,214(226).

Next

/
Oldalképek
Tartalom