Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

194 BERND EICHOLT Strafen können nach deutschem Verfassungsrecht ohnehin nur dann ver­hängt werden, wenn diese (zuvor) in einem (formellen84) Gesetz angedroht wor­den sind (Art. 103 Abs. 2 GG). Verwaltungsbefehle werden auf der Grundlage ausführender Gewalt erlas­sen.85 Strafbewehrte Verwaltungsbefehle können ergehen, wenn ein vom Recht geforderter oder von der zuständigen Behörde angestrebter Erfolg auf anderem Wege nicht erreicht werden kann und eine strafrechtliche Ahndung eines Versto­ßes gegen den Verwaltungsbefehl aus Gründen des Seelenheils sowie der Erfül­lung des Sendungsauftrags der Kirche, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Kirche, geboten ist.86 cc) Eine Abweichung vom Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung ist ferner bei der Gewährung eines Privilegs (c. 76 CIC) gegeben. Ein Privileg widerspricht dem allgemeinen oder partikularen Recht bzw. ist von diesem nicht erfaßt.87 Für die betreffende Person(en) wird durch dieses Privileg eine besonde­re Rechtslage geschaffen, d. h. das Privileg gestaltet Rechte und Pflichten inso­weit neu und befreit nicht etwas nur von einem als ungeeignet empfundenen Ge­setz.88 Privilegien dienen nicht der ungerechtfertigten Bevorzugung, sondern der Einzelfallgerechtigkeit und sollen dazu beitragen, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft der Kirche zu fördern.89 Kurz gesagt: Ziel der Privilegien ist die Gewährleistung des Seelenheils. Obwohl Privilegien vom Gesetzgeber oder dem Inhaber ausführender Ge­walt erlassen werden können, handelt es sich bei ihrer Gewährung nach zutref­fender Ansicht um eine Ausübung ausführender und nicht etwa gesetzgebender Gewalt, da Privilegien Einzelfallregelungen sind.90 Die Verschränkung von Ge­setzgebung und Verwaltung durch die Gewalteneinheit in der Kirche (im Unter­schied zur Gewaltentrennung im weltlichen Recht) zeigt sich daher hier beson­ders deutlich.91 84 Degenhart in Sachs (Fn. 19), Art. 103 Rn. 60 85 MK-Socha (Fn. 45), 49 Rn. 2. 86 W. Rees, Die Strafgewalt der Kirche, Berlin 1993, S. 66 f; N. Rur, Die Strafzumessung im kanonischen Recht auf Grund der allgemeinen Lehren und Sonderbestimmungen, Diss. Freiburg/Br. 1968, S. 70. 87MK-Socha (Fn. 45), c. 76 Rn. 3. 88 Amann Verwaltungsakt (Fn. 80), S. 141; Aymans I (Fn. 28), S. 257. 89 Amann Verwaltungsakt (Fn. 80), S. 139. 90MK-Socha (Fn. 45), c. 76 Rn. 8. 91H. FIeimerl, Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz im CIC 1983, in Im Dienst von Kirche und Staat, Gedächtnisschrift für Carl Holböck, F. Potoschnig - A.Rjnnerthaler (Hsg.), Wien 1985, S. 421 ff. (441).

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