Folia Canonica 3. (2000)

STUDIES - Peter Landau: Die Canones Apostolorum im Abendländischen Kirchenrecht, insbesondere bei Gratian

40 PETER LANDAU Einige Bestimmungen der Canones apostolorum, die noch im Codex von 1917 enthalten sind, wurden in die Codices von 1983 und 1990 nicht mehr aufgenommen. Hierzu gehört das Weiheverbot für sog. Bigamisten, d.h. Perso­nen nach aufeinander folgender mehrmaliger Ehe, das noch 1917 als irregula­ritas ex defectu aufrechterhalten wurde,72 aber nunmehr wie die gesamte Kate­gorie der Irregularitäten ex defectu weggefallen ist.73 Verschwunden ist ferner das in c.42 und c.43 der Apostelkanones enthaltene Verbot für Kleriker, sich dem Würfelspiel zu widmen oder der Trunksucht zu verfallen. Dieses Verbot wurde noch im Codex von 1917 wiederholt,74 fehlt aber in den Codices von 1983 und 1990, da es offenbar von dem allgemeinen Gebot umfaßt wird, dass sich Kleriker von einem standeswidrigen Verhalten femhalten sollen.75 Insgesamt wird man feststellen können, dass auch die Gesetzbücher von 1983 und 1990 im Recht des Klerus noch von den Apostelkanones beeinflusst sind. Die Festlegung von speziellen Standespflichten für den Klerus ist ein Erbe der Alten Kirche, das besonders in den Canones apostolorum eine charakteri- sche Formulierung gefunden hat. Im Rahmen ökumenischer Diskussionen um das kirchliche Amt sollte auch der Stellenwert der apostolischen Kanones für die kirchliche Tradition im Sinne Melanchthons erneut bedacht werden. Sie haben jedenfalls über mindestens 16 Jahrhunderte einen erstaunlichen Einfluss im östlichen und westlichen Kirchenrecht gehabt und bewahren ein gemeinsa­mes Erbe der römisch-katholischen Kirche mit den Ostkirchen, das auch An­fragen an die Kirchen der Reformation enthält. Appendix Anastasius Bibliothecarius, Papst Johannes VIII. und die Canones apostolorum In dem 873 verfassten Brief des Anastasius Bibliothecarius an Johannes VIII., in welchem jener seine Übersetzung der Kanones des zweiten Konzils von Nicäa dem Papst vorstellt,76 weist Anastasius darauf hin, daß in den Beschlüssen von Nicäa 787 Kanones und Formulierungen (Sententiae) der 72 c. 984 CIC 1917. 73 Cf. H. MÜLLER, Die Ordination, in Handbuch des katholischen Kirchenrechts, J. Listl-H. Müller-H. Schmitz (Hrsg.), Regensburg 1983, 727, Anm. 92. 74c. 138 C/C1917. 75 c. 285, § 1 CIO, c. 382 CCEO. 76 Es handelt sich um den sog. Prolog des Anastasius zur Übersetzung von Nicäa II. Hierzu cf. G. Laehr, Die Briefe und Prologe des Bibliothekars Anastasius, NA 47 (1928) 416-468, hier 430 f., Anm. 3.

Next

/
Oldalképek
Tartalom