Folia Canonica 3. (2000)

STUDIES - Peter Landau: Die Canones Apostolorum im Abendländischen Kirchenrecht, insbesondere bei Gratian

DIE CANONES APOSTOLORUM IM ABENDLÄNDISCHEN KIRCHENRECHT 31 Sammlung nicht aufnimmt. Das Verdikt der Collectio Hispana beruht bis auf den Wortlaut offenbar auf einer Warnung Isidors von Sevilla vor Schriften, die ‘sub nominibus apostolorum’ von Häretikern produziert worden seien und nach genauer Prüfung abgelehnt werden müßten, da sie keine kanonische Autorität beanspruchen könnten.20 Obwohl die negative Bewertung der Collectio Hispana in der kanonistischen Tradition des Mittelalters nicht in Vergessenheit geriet, bildete sich in der Karolingerzeit eine neue Einstellung in der Beurteilung der Kanones, diesmal durch Pseudoisidor. In der großen Vorrede seines Fälschungscorpus, in der sich der Autor als Isidorus Mercator bezeichnet, betont Pseudoisidor ausdrücklich, dass er die Canones apostolorum ‘propter eorum auctoritatem’ aufgenommen habe. Sie seien zwar von einigen als apokryph bezeichnet, von vielen aber rezipiert worden, vor allem jedoch durch die Autorität von Konzilsvätern bestätigt und als kanonische Rechtsnormen anerkannt worden.21 Das letzte ist offenbar eine Anspielung auf die Approbation der Kanones durch das Trullani- sche Konzil, wobei unklar bleibt, auf welchem Wege der Fälscher über Be­schlüsse dieses Konzils informiert war - vielleicht kursierte schon im 9. Jahrhundert im Westen eine lateinische Übersetzung der Trullanischen Kano­nes.22 An einer Stelle eines auf den Namen des Papstes Zepherinus gefälschten Briefes formulierte dann Pseudoisidor sogar, dass die Apostel zusammen mit vielen Bischöfen 70 Sätze normativ festgelegt hätten.23 Damit sollte vielleicht die Möglichkeit offengehalten werden, noch weitere Apostelkanones zu produ­zieren. Jedenfalls war man im 9. Jahrhundert durchaus bereit, die Apostelkano­nes als vollgültiges Kirchenrecht im Westen zu akzeptieren, was auch aus der Vorrede des Anastasius Bibliothecarius zu seiner Übersetzung der Kanones des zweiten Konzils von Nicäa in Form eines Briefes an Papst Johannes VIII. hervorgeht, der dort schreibt, dass die Kirche alle Apostelkanones noch über die 20 Isidori Hispalensis, Etymologiarum sive Originum Libri XX, Bd. I, W. M. Lindsay (ed.), Oxonii 1911, VI. II, 252 f. “In iis apocryphis etsi invenitur aliqua veritas, tamen propter multa falsa nulla est in eis canonica auctoritas; quae recte a prudentibus iudicantur non esse eorum credenda, quibus adscribuntur. Nam multa et sub nominibus prophetarum et recentiora sub nominibus apostolorum ab haereticis proferuntur, quae omnia sub nomine apocryphorum auctoritate canonica diligenti examinatione remota sunt.” 21 P. Hinschius (ed.), Decretales Pseudo-lsidorianae, Leipzig 1863, ND Aalen 1963, 17: “Denique propter eorum auctoritatem ceteris conciliis praeposuimus canones qui dicuntur apostolorum, licet a quibusdam apokrifi dicantur, quoniam plures eos recipunt et sancti patres eorum sententias synodali auctoritate roboraverunt et inter canonicas posuerunt constitutio­nes.” 22 Cf. hierzu MEINE Arbeit, ‘Überlieferung und Bedeutung der Kanones des Trullanischen Konzils im westlichen kanonischen Recht ', in The Council (Anm. 7), 215 -227, hier 226. 23 Ps.-Zepherinus, c.6 - bei Hinschius (ed.), Decretales (Anm. 21), 132: “LXX enim apostoli sententias praefixerunt cum aliis quamplurimis episcopis et servandas censuerunt.” Zur kanonistischen Überlieferung dieses Textes cf. H. Fuhrmann, Einfluss und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen, Teil III (MGH. Schriften XXIV,3), Stuttgart 1974, 914m f (no. 285).

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