Csánky Dénes szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 10. 1940 (Budapest, 1941)

Zoltán Oroszlán: Tanagrafiguren und ihre Genossen

den Tanagrafiguren dem Verstorbenen als Totengeschenk ins Grab zu legen. Die sym­bolische Beziehung wurde hier einfach durch Tradition und Gewohnheit ersetzt. Nur so können wir die Anwesenheit der anmutigen Mädchen und Knabenfiguren in den Gräbern erklären, denn es wäre recht schwierig die­sen, dem Leben nach geformten, anmutigen Genre-Figuren eine symbolische Bedeutung oder mythologische Beziehung unterzulegen. Der Höhepunkt des Schaffens der ta­nagraeischen Koroplasten liegt in den so­genannten „Tanagrastatuetten". Hier er­reichte die antike Tonplastik eine bis heute nie wieder erreichte Höhe. Die Tanagrafigu­ren zeigen uns eine ganze Menge von Kin­dern, und schönen Frauengestalten inmitten tausenderlei kleinen, angenehmen Beschäfti­gungen des Alltaglebens, ihre Bewegung und Haltung beobachtend und verewigend, ihre Haartracht und Kleidung nachahmend. Die Frauenstatuetten sind besonders abwechs­lungsreich. Sie sitzen bequem, bald schwär­mend, bald munter da, manchmal stützen sie den Kopf trauernd in die Hand. Bald stehen sie ruhig, oder mit den Händen auf den Hüf­ten, den Kopf gefallsüchtig abgewandt oder hochgehoben, bald wieder eilen sie hinweg während der Wind die leichten Kleider um ihre schönen und anmutigen Gliedmassen schlingt. Der Kopf ist meist unbedeckt, doch kommt es vor, dass ein Hut, ein andermal ein leichtes Tuch, oder ein wehender Schleier ihr meist in der Mitte geteiltes, welliges, oder in Strähnen gekämmtes und hinten in einen lo­sen Knoten gebundenes Haar bedeckt. Wie­viele Varianten des leichten, anliegenden Khiton, oder des malerisch drapierten, leicht­hin umgenommenen kleinen Umhangs, der Modellierung von kurzem Schleier und Tuch! In ihrer Hand bewegen sie anmutig den Fä­cher, auf dem Fuss tragen sie hübsche Schuhe, oder Sandalen. Die reiche, abwechslungsvolle Fülle dieser gleichen Motive erreichten die Terrakotten­werkstätten von Tanagra durch die grosse Sorgfalt der Ausführung. Sie verfertigten die kleinen Figuren, wie überall vom 6. Jh. V. Chr. an im Altertum mit Hilfe von Guss­formen. Doch änderten sie durch individuel­les Überarbeiten einzelner Details der glei­chen, aus derselben Gussform kommenden Teile die Figuren, die so niemals den ande­ren, aus derselben Form stammenden Figu­ren glichen. Diese Sorgfalt der letzten in­dividuellen Überarbeitung und ihre kon­sequente Anwendung macht diese kleinen Figuren so anmutig und schön, in ihrer Art vollkommen; das verleiht der grossen Menge jene Vielfalt, die sie niemals langweilig Wer­den lässt, so dass wir sie immer mit Inter­esse betrachten und im Rhythmus ihrer Be­wegungen, in der Anmut ihrer Haltung und in der Feinheit ihrer Proportionen immer wieder neue, beobachtungswerte Details ent­decken. Die Statuetten sind fast ausnahmslos nur von einer Seite her zu betrachten, ihre Rück­seite ist selten ausgearbeitet. Man stellte sie manchmal auf kleine, niedrige Sockel, ein andermal auf höhere, gegliederte Postamente, Eine besondere Schönheit sicherte diesen Tanagrafigürchen ihre sorgfältige und har­monische Bemalung, die auf einzelnen, sel­tenen Exemplaren auch heute noch in bei­nahe unberührter Vollkommenheit glänzt. Meist ist nur ihre Spur wahrzunehmen. Die rote, blaue, gelbe, rosige und manchmal gol­dene Bemalung ist in kleineren oder grösse­ren Farbflecken auch auf unseren Exempla­ren fast immer anzutreffen. 1 * Wenn wir nun fragen, welchem Einfluss folgend die Koroplasten von Tanagra zur Formung dieser Figuren gelangten, müssen wir Verschiedene aufzählen. Diese Statuetten beginnen in den Gräbern um die Zeit auf­zutauchen, als der Einfluss des Praxiteles bereits in der Grossplastik überall fühlbar war, dieses Künstlers, der seine Götter zu irdischen Gestalten, zu sterblichen Menschen­figuren formen konnte, ohne, dass sie ihre Hoheit eingebüsst hätten. In seiner Kunst gelangt die griechische Plastik zur Formung und Verewigung der ruhigen Jugendanmut, der sinnlichen Frauenschönheit, der ange­nehmen Bewegungsrhytmik. Doch ist die Er­kenntnis der Möglichkeiten, die sich in den Schöpfungen und Neuerungen des Praxiteles für die Kleinplastik boten, ein Verdienst der Koroplasten von Tanagra, die gerade dadurch bewiesen, dass in den Werkstätten oft auch gute, ja hervorragende Künstler arbeiteten, ohne die die weniger begabten Meister erst viel später die in den Werken des Praxiteles sich offenbarenden neuen Motive und ihre Nutzbarmachung für ihre Arbeit entdeckt hätten. Zweifellos war für den im 4. Jh. v. Chr. sich zeigenden Stilumschwung in der Klein­plastik Tanagras auch der Einfluss der zeit­14 Siehe Oroszlán Einleitung des Katalogs, weiters S. 48, wo ich die Frage der Tanagra­figuren mit vollständiger Literaturangabe kurz erörterte.

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