Csánky Dénes szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 10. 1940 (Budapest, 1941)
Zoltán Oroszlán: Tanagrafiguren und ihre Genossen
die eigenartige Schönheit der Stadt vor allem in den bunten Verzierungen ihrer Tore und in den überall aufgestellten, bunt bemalten, aus Ton gebrannten Votivgeschenken. 6 An Korn ist diese Gegend nicht besonders reich, aber der Wein ist der beste in ganz Boiotien. Die Einwohner sind wohlhabend, ihre Lebensweise ist jedoch einfach. Sie sind Feldarbeiter, nicht Handwerker. Das Recht, die Treue und der Glaube, sowie die Gastfreundschaft sind bei ihnen hoch geschätzt. Sie sind freigebig ihren notleidenden Mitbürgern oder den wandernden Bettlern gegenüber. Unlauteren Verdienst verachten sie. Der Fremde kann sich in ganz Boiotien nirgend so in Sicherheit fühlen, wie hier. Die fleissigen und wohlhabenden Leute von Tanagra hassen ehrlich und streng alles, was schlecht ist. „In dieser Stadt habe ich den kleinsten Hang zur Masslosigkeit gefunden, — erzählt der Schriftsteller weiter, — die das grösste Unheil zu verschulden pflegt." Der Name Tanagras war auch in Rom wohlbekannt. 7 Strabon, der zur Zeit des Augustus lebte, erwähnt Tanagra und Thespiai, als die grössten Städte Boiotiens, grösser als Thebai. 8 Der griechische Weltreisende des 2, Jh. v. Chr. Pausanias, erwähnt Tanagra ebenfalls, 8 spricht von den mythologischen Geschehnissen, die sich an die Stadt knüpfen, von den hier besonders verehrten Göttern Dionysos, Themis, Aphrodite, Hermes Promachos und Hermes Kriophoros, sowie von Apollon, den sie sammt Leto und Artemis verehren. Er betont, dass die Heiligtümer der Götter in Tanagra besonders würdige Plätze fanden, weitab von den Häusern und von jeder Art des Handels. In der Stadt steht die Statue der berühmten Dichterin Korinna, der Tochter Tanagras, die so sehr verehrt wird, dass im Gymnasion sogar ein zweites Bild von ihr aufgestellt ist, auf welchem sie sich als Siegerin im Dichterwettsreit über Pindar das Zeichen ihres Sieges, das Siegesband ins Haar flecht. Schliesslich erwähnt Pausanias noch eine Spezialität Tanagras: die eigens zum Kampf herangezogenen Kampfhähnen, deren Ruf in ferne Länder drang. Die Reste des antiken Tanagra sind heute nicht weit von dem griechischen Orte Skima8 In dieser Bemerkung des Autors können wir eine Angabe zur Arbeit der Koroplastesen erblicken. 7 Siehe Cicero, de domo. 42, 43. H Strabon IX. 404. 410. 0 IX 20. tari zu sehen. 10 Die Stadtmauern und Grundmauern des Theaters sind recht gut erhalten. An der Südseite des heute Kokali genannten, ausserhalb der Stadt liegenden Hügels liegen die Nekropolen von Tanagra, deren Gräber uns die Tanagrafiguren beschenkt haben. Denkmäler einer jahrhundertelangen Werkstattsarbeit der Koroplasten von Tanagra sind aus diesen Gräbern zum Vorschein gekommen. Die „Papas", die mit primitivster Hand geformten, mit geometrischer Bemalung versehenen Figuren, die edle Würde der mit dem Peplos bekleideten Frauenfiguren des 5. Jh.-s v. Chr. die geschickt modellierten Satyr-, Pan- und Tierfiguren, und die in der zweiten Hälfte des 4. Jh.-s v. Chr. auftauchenden, zahlreichen reizenden und anmutigen Knaben- und Mädchenstatuen lernten wir durch diese Gräber kennen, 11 in welchen man auch viele Vasen fand. Die Terrakotten und bemahlten Tongefässe der Gräber waren Totengeschenke. Aber gerade in Tanagra beobachtete man, dass in jenen Gräbern, in welchen bemalte Keramik war, nur selten Terrakotten lagen, wo hingegen solche aber in grosser Anzahl vorhanden waren, dort fand man keine mit figuralem Schmuck gezierte Gefässe. 12 Die Grabterrakotten hatten einen symbolischen Sinn: wenn man Götter, wie Demeter, Persephone, Hermes, Athene, Dionysos oder Heroen, wie Herakles, oder Sirenen, dionysische Wesen, Satiren, Silenen, Pan oder Maenaden darstellte, so ist ihr Zusammenhang mit der Unterwelt ganz klar: sie wurden zum Schutz, als göttliche Begleiter dem Toten mitgegeben. Sonstige Figuren — Frauen, Knaben oder Mädchen — sind als einfache Begleiter zu betrachten; 13 in den Gräbern der jungen Knaben und Mädchen fungierten die Knabenstatuetten als ihre Geselle und Gefährtinnen in die Unterwelt begleitende Gespiele. Dieselbe Sitte gebot es wohl auch, später die mit den Göttergestalten in ihrer Modellierung recht wenig Verwandtschaft zeigen10 Der Verfasser dieser Zeilen besuchte im Jahre 1931 die Ruinen von Tanagra. 11 Siehe: Kekulé a. a. O. S. 15. — H. B Walters S. XXXIX. 12 Kekulé, a. a. O. S. 13. 13 Siehe Oroszlán: Die antike Terrakottensammlung des Budapester Museums der Schönen Künste, Budapest, 1930. S. 24—27, wo ich die Bedeutung und Bestimmung der Figuren auf Grund der Fachliteratur eingehend erörtert habe. (Wir bezeichnen das Werk von hier an mit „Oroszlán-Katalog".)