Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)
Jolán Balogh: Studien in der alten Skulpturensammlung des Museums der Bildenden Künste. II.
triebener Weise, dem Bartolommeo Bellano selbst zugeschrieben wird. Der Zusammenhang dieser Werke und ihre Verbindung mit der Kunst Bellanos kann kaum bezweifelt werden. Infolgedessen muss auch das Holzrelief unserer Sammlung einer der Schüler oder Werkstattgehilfen Bellanos nach dem Modell des Meisters am Ende des 15. Jahrhunderts geschnitzt haben. III. Die Welt des Quattrocento verlassend, vergegenwärtigt uns eine kleine, stehende Madonnenstatue 144 (Abb. 112—113.) die Auffassung des frühen Cinquecento. Sie zählt unter die technischen Seltenheiten. Es handelt sich nämlich um eine Wachsstatue mit Holzkern, deren Kleid aus mit Stucco überzogener Leinwand besteht. Die Einheit der verschiedenen Materialien ist durch die Vergoldung gesichert. Die Statuette ist kein fertiges Werk, sondern nur ein Entwurf, ein Modell, die erste Festlegung des bildhauerischen Gedankens, ein Versuch mit den Formen und besonders mit der Linienführung der Draperie, weshalb auch der Künstler, um sich vom Material unabhängig zu machen, Leinwand verwendet hat. Er bekleidete die Figur gleichsam nachträglich, aber er stellte bezeichnenderweise selbst dieses naturalistische Material in den Dienst des Aufbaues und formte es in stilisierte Falten. Der Ver— Bettini erwähnt den Corpus Domini Altar der Kirche S. Lorenzo in Vicenza nicht. Das Padovaner Exemplar ist aus Stucco und stammt aus der Kapelle des Pio Istituto Zitelle Gasparini (freundliche Mitteilung des Herrn Direktor A. Moschetti). 144 In der Rechnung des Kunsthändlers E. Costantini: Beccafumi (Aktensammlung des Museums der bild. Künste, Akte Nr. 246/895.); Lajstrom (Verzeichnis). 1896. S. 9. (Beccafumi); Fabriczy: Krit. Verzeichnis. S. 57. No. III. 10. (Beccafumi?, 1. Hälfte des 16. Jhs.); Schubring: Katalog der Bildwerke. No. 80. (florentinische Schule, um 1530, wahrscheinlich Goldschmiedemodell); Schubring: Ital. Renaissanceplastik. S. 95. (florentinische Schule um 1530, erinnert an die Harpyenmadonna Andrea del Sartos und an die Bilder Puligos); Meiler op. cit. No. 78. (Beccafumi); Hehler op. cit. S. 117. (Mitteilung von Jolán Balogh: aus dem Kreise des Andrea Sansovino); Schottmüller, Fr.: Die ital. und spanischen Bildwerke der Renaissance und des Barock. I. Bd. II. Aufl. Berlin —Leipzig, 1933. S. 157. (schwache Nachahmung der Berliner Madonna Nr. 1941, welche dem „Meister der unartigen Kinder" zugeschrieben wird); Balogh: Die alten Bildwerke, S. 204. (Jugendwerk des Jacopo Sansovino); Csánhy op. cit. S. 248. (Jacopo Sansovino). suchscharakter der Figur wirft auf Werkstattgeheimnisse Licht. Sie veranschaulicht die von den schriftlichen Quellen, besonders von Vasari erwähnten Modellierverfahren mit der Unmittelbarkeit der Wirklichkeit. Im Aufbau der Statuette, im Motiv des rechten Fusses, der auf einem Sockel ruht, und vor allem in der Stellung des Jesuskindes, offenbaren sich viel Bewegung und malerische Wirkung. Die Bewegung des Bambino, der sich an den rechten Arm seiner Mutter lehnt und auf deren aufgestütztem Knie zappelt, bedeutet gegenüber der Vergangenheit, die nur einen sitzenden oder ruhig stehenden Bambino darzustellen pflegte, eine tiefgehende Wandlung. In der Entstehungszeit unserer Statue, also am Anfang des 16. Jahrhunderts, finden wir derlei kühne Motive, eine derart betonte Freiheit der Bewegung am ehesten in den Werken Jacopo Sansovinos, über den Vasari berichtet, dass in jeder seiner Skizzen, Zeichnungen und Modelle irgendeine Bewegung zu finden war (ogni suo schizzo, o segno, o bozza ha sempre avuto una movenza e fierezza). 145 Seine Madonnenstatue (Abb. 110.) in S. Agostino zu Rom ist von ähnlicher Bewegung und Lebendigkeit durchdrungen. Die heftige Bewegung des Bambino, der auf den Knien Mariens steht, entwickelt das Motiv unserer Statuette weiter. Der Madonnenkopf (Abb. 109.), der von den unregelmässigen Falten des Kopftuches wie von einer Krone umrahmt ist, erscheint als eine härtere, monumentale Marmor-Variante unserer Wachsfigur. Die frei niederfliessenden Falten der Draperie, die von den Armen geschweift niederhängenden Mantelflügel, die Falten, die am Boden und am Fuss aufliegen, zeigen den gleichen Stil und verraten die gleiche bildhauerische Denkweise. Wenn wir unsere Statuette mit einem anderen Werke Sansovinos, der vergoldeten Terracotta-Statue der Loggetta in Venedig (Abb. 114.) vergleichen, so wirkt es noch überzeugender, dass unsere Madonna in die Reihe der Werke dieses Meisters eingegliedert werden müsse. Die lebhafte Gebärde des Bambino, die weichfallenden und sich knitternden Falten, die am Fuss aufliegen, wiederholen sich auch hier in einer frischen, lebendigen Variation. Die feinen, lächelnden Züge des Madonnenkopfes knüpfen sich noch unmittelbarer an unsere Statue als dies beim römischen Kopf der Fall war. Im dreivier 140 Vasari, G.: Vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architettori. VII. Firenze, 1881. p. 487.