Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 8. 1935-1936 (Budapest, 1937)
Zoltán Oroszlán: Die „Rhyta" der Terrakottensammlung des Museums der Bildenden Künste
und seiner Frucht verehrte, kommt u. a. auf dem Wege unseres Rhytons und der in Kertsch gefundenen Göttermasken in der griechischen Keramik zum Ausdruck. Doch begegnen wir ähnlichen Darstellungen auch im Kreise der Grossplastik. Die Ermitage bewahrt auch seit längerer Zeit eine Büste, welche Dionysos als Gott der Vegetation darstellt. (Waldhauer : »Die antike Skulpt. d. Ermitage« Berlin, 1928. Bd. I. S. 67. Taf. XXX.) Eine ähnliche Büste hat auch der Vatikan. (Amelung : »Die Skulpt. d. Vat. Mus.« Bd. I. S. 754. Nr. 691. Taf. 85.) In ähnlicher Auffassung entstand die »Dionysos und Ampelos«Gruppe im British Museum (Smith : »Cat. of Sculpt, of the British Museum.« Vol. III. Nr. 1636.), weiters der Dionysoskopf des Kapitolinischen Museums mit den im Haar verborgenen Traubenlöckchen. (H. Stuart Jones : »The Sculpt, of the Museo Capitolino«, 1912. p. 147. pl. 37. Nr. 19.) Derselbe Geist dürfte auch das im Vatikan bewahrte Relief von Ti. Claudius Philetus Grabdenkmal geschaffen haben, auf welchem Dionysos und Ariadne als Kinder dargestellt, sich unter einer Weinlaube in einem innigen Händedruck vereinen ; beide haben Weinlaub und Weintraubchen in den Haaren. (Lippold : »Die Skulpt. d. Vat. Museums«. Bd. III. 1. Nr. 515/a. Taf. 32.) Offenbar wurde im selben Sinne auch jenes kleine Terrakottaköpfchen geschaffen, welches sich ebenfalls in der Sammlung des Museums der Bildenden Künste befindet und hier zuerst veröffentlicht werden soll. (5. Abb.) Der maskenartig angefertigte Kopf (Höhe : 8"8 cm. Material : hell ziegelroter Ton ; abgesehen von kleineren Beschädigungen ist er vollständig unversehrt) ist statt der Haare mit Rebenblättern bedeckt, die Gesichtszüge sind weich und weiblich, die Augensterne gehöhlt. Sicher handelt es sich hier auch um eine dionysische Darstellung, vielleicht gar Dio nysos als Kind. Leider ist uns jedoch über den Fundort dieser Büste nichts bekannt. (Arndts Angabe : »Weiblicher Kopf mit Weinlaub ; fraglich ob aegyptisch?« — Die Statuette ist keinesfalls aegyptisch 1) Die hier angeführten Dionysosdarstellungen — trotzdem, dass eine solche in der Kunst zum Ausdruck gelangende Personifikation dieses Gottes bereits auf der François-Vase erscheint und auf den schwarzfigurigen archaischen Vasen ein Weinlaub haltender Dionysos überhaunt keine Seltenheit ist — lassen ganz sicher annehmen, dass diese den hellenistischen Zeiten zugeschrieben werden können. (S. Waldhauer und Amelung. a. a. O. S. weiter die SilberDidrachme von Naxos in Sizilien. »Diese Münzprägung zeigt auf der Rückseite eine stilisierte Weintraube, auf der Vorderseite den Kopf des sie zum Attribut habenden Gottes Dionysos.« — L. M. Lanckororiski: »Schönes Geld der alten Zeit«, München, 1935, S. 28.) Jene Auffassung, welche Dionysos als Vegetationsgott darstellt, wird am übertriebensten auf der bekannten pompejanischen Wandmalerei zum Ausdruck gebracht, welche den Gott als Traube darstellt, aus welcher nur Kopf, Hände und Füsse herausragen. (E. Pfuhl »Malerei und Zeichnung der Griechen«, 1923. Bd. II. S. 900. Abb. 745.) Unser Rhyton fügt sich also in eine lange und grosse Reihenfolge und seine kultische Bedeutung ist zweifellos. Nun müssen wir noch den Erzeugungsort, sowie den Zeitpunkt der Entstehung unseres Rhytons festsetzen. Die Forschung brachte auf der Halbinsel Krim ausser den bereits oben erwähnten, noch ähnliche Terrakottendenkmäler ans Tageslicht. Ich erinnere hier an die im Jahre 1908 in Olbia gefundenen und in der Form eines Maenaden-Brustbildes angefertigten Gefässchens, welches Pharmakowsky veröffentlichte. (Arch. Anz. Bd. XXIII. S. 186. Abb. 19.) Dass in den ersten zwei Jahrhunderten des römischen Reiches ein lebhafter Handelsverkehr zwischen der Nord- und der Südküste des Schwarzen Meeres bestand, wird durch zahlreiche Belege bewiesen. (M. Rostowtzeff: »Gesellschaft und Wirtschaft im Rom. Kaiserreich«, Berlin 1930. Bd. I. S. 129.) Olbia und Panticapaion einerseits, Sinope, Amisos und die übrigen auf der Südküste liegenden Städte anderseits betrieben einen systematischen ständigen Handel miteinander. Unser Rhyton ist hinsichtlich des Materials, des Styl- und Kulturkreises so eng mit den in Kertsch gefundenen Terrakottamasken, verwandt, dass es mir nicht zweifelhaft ist, dass es noch im Altertum aus der Krim nach Amisos gelangte, wo es Jahrhunderte später in der jetzigen Stadt Samsun zum Vorschein kommend der heutigen archäologischen Forschung als Beitrag dienen kann zur Aufklärung des antiken Handelsverkehres und der Kulturein Wirkungen. Wir irren wohl kaum in dieser unseren Feststellung ; doch auch darin nicht, wenn wir die Entstehungszeit unseres Rhytons auf das I —II. Jahrhundert n. Chr. ansetzen. Zoltán Oroszlán