Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)

Über das Buch

ÜBER DAS BUCH Das Buch ist kein zwangsläufiges Massenquartier von Wör­tern, Sätzen oder sonstigen künstlerischen Kreationen. Es gibt schlecht gemachte Bücher ebenso, als es mißlungene Gedichte gibt - und umgekehrt. Die Schaffung eines guten Buches, die bewußte Nutzung des Papiers, die typografi­sche Anordnung in Repräsentation des Textinhalts, das Hef­ten oder Binden, eine charakteristische Formgebung für den inneren Gehalt und die äußere Gestalt - das ist eine ernste schöpferische Aufgabe. Ein Buch wird mit unseren optischen und taktilen Sinnen erfaßt, und diese beiden As­pekte sind die fundamentalen Elemente der Hervorbrin­gung von Büchern. Um es recht zu verstehen: es gibt also Bücher guten poetischen, wissenschaftlichen, technischen usw. Inhalts, und es gibt das bloße Buch als Gegenstand, als Produktion eines Berufszweiges. Wenn wir nun, ohne den Text zu bestimmen, der lediglich ein partieller Stoff des Ganzen ist, vom Buch sprechen, verstehen wir unter dieser Benennung einen aus unterschiedlichen Stoffen zusam­mengesetzten Gegenstand. Das gute Buch ist eine ge­genständliche und stoffliche Kreation. Kennzeichnend für sie sind Wirtschaftlichkeit, Haltbarkeit, leichte Herstellbar­keit, Hervorhebung der zur Mitteilung bestimmten Bestand­teile und dadurch Erleichterung der Arbeit des Lesers oder Betrachters, kurzum gute Übersichtlichkeit des inneren Ge­halts und der äußeren Gestalt - so der reine Typus. Es gab Zeiten, wo das Buch im Gegensatz zu seiner Berufung der Sammelleidenschaft von Aristokraten und dem Ästhetizis­mus braver Bürger diente; in unserer Zeit ist das Buch ein notwendiger Gebrauchsgegenstand, und so muß sein Cha­rakter statt von der individuellen Ästhetik vom utilitär Allge­meinen determiniert sein. Wir benötigen nicht bezaubernd schöne, sondern billige, haltbare und leicht handhabbare Bücher. Wir sind Menschen der Geschwindigkeit und der Bequemlichkeit. Für uns ist das Buch kein lebloser Dekor, sondern aktiver Lebensgefährte, ein wichtiger Bestandteil unserer alltäglichen Bedürfnisse. Wir mögen sehr wohl leicht verdauliche Speisen, bequem geschneiderte Kleidung, gut durchlüftete und helle Wohnungen - so ist es nur verständ­lich, daß wir das gleiche auch vom Buch erwarten: es zu berühren soll unseren Händen wohltun, und der zur Mit­teilung bestimmte Stoff soll von unseren Augen leicht und mit möglichst geringer Einbuße erfaßt werden können. Je­dermann konnte bereits die Erfahrung machen, wie unge­nießbar ein an sich gutes Gedicht durch die Papiersparerei der Verlage und die fachliche Unqualifiziertheit des Druk­kers verkrüppelt werden kann. Oder im anderen Extremfall: wie einem die Amateureditionen der Schmockklüngel, etwa die Bibel oder Marx in der Westentasche, auf die Nerven gehen. Gegen diesen mit unverhohlener Gier oder ästheti­scher Einfalt erzeugten Müll und preziösen Kitsch müssen wir protestieren, allerdings können wir die Form betreffend keinerlei Forderung vor uns hinbauen. Die Güte, d.h. die Gegenstands- und Stoffgemäßheit eines Buches, ist jeder­zeit durch den zum Druck bestimmten Stoff determiniert. Sieht man einmal vom Einfluß äußerer Faktoren (mangelnde fachliche Qualifizierung und falsch verstandenes materiel­les Interesse) ab, kommt es, was das Gelingen betrifft, auf die gute oder schlechte, die richtige oder falsche typografi­ÁLLÁSPONT • TÉNYEK ÉS UJ LEHETŐSÉGEK Lajos Kassák: Álláspont (Standpunkt), Wien 1924 / Titelblatt / Kat. 64. sehe Gestaltung an. Die Typografie eines Buches ist es, die wir in erster Linie als dominant erachten; sie ist das, was den zur Mitteilung bestimmten Inhalt unseren Empfindungen und unserem Hirn vermittelt. Folglich kommt es darauf an, daß die Typografie eines Buches, gemessen an dem zu vermitteln­den Stoff, sachgerecht, leicht faßbar und in ihrem ganzen Erscheinen wirksam sei. Zur Verschlampung und Verkit­schung des Buches haben - neben der Habsucht der Verle­ger und der Unbekümmertheit der Autoren - auch die soge­nannten „modernen" Grafiker erheblich beigetragen. Diese fingerfertigen und oberflächlichen Individuen haben die wei­ßen Seiten des Buches, ja häufig sogar die Partien zwischen den Texten reineweg als Dekorationsfläche aufgefaßt und mit ihren individuellen Tricksereien und zierenden Schnörkeleien vollgestreut. Unbekümmert darum, daß das Buch durch überflüssigen „Zierat" seinen eigenständigen Charakter ein­büßt, übten sie nicht nur auf die ästheti-sche Auffassung des Publikums, sondern auch auf die Entwicklung des Druckge­werbes einen verhängnisvollen Ein-fluß aus. In den Revues für Grafik kann man sehen, daß ein Großteil der Setzer, von irgendwelchem Pseudo-Expressionismus besessen, trotz vorhandener Fachkenntnisse den eigenen Möglichkeiten im­mer mehr entrât und sich in einem dem druckerischen Mate­rial entgegengesetzten Formalismus verliert. Und doch ist es unzweifelhaft, daß die Schaffung eines Buchtypus, der unse­re Zeit repräsentiert, in den Händen der jungen Druckergene­ration liegt. An ein wertbares Resultat ist so lange nicht zu denken, als diese Generation nicht einsieht, daß sie anstatt künstlerischen Posierens zurückkehren muß zum gegebenen Material der Serienproduktion, zur Unmittelbarkeit des Aus­drucks und im allgemeinen - zu den ökonomischen Gesetzen schöpferi-schen Tuns. TISZTASÁG KÖNYVE [BUCH DER REINHEIT] BF. 1926, S. 13-14 9

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